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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Ersatzhemd eingepackt hatte, und sie nickte, als ich sie bat, es tragen zu dürfen. Sie gab es mir.
    Ich besitze bis heute viele von seinen Hemden und auch von seinen Krawatten. Er kaufte all seine Kleidung im Silverman’s in Grand Forks. Dort hatten sie die allerbesten Männersachen, und er kaufte nie viel, aber er war wählerisch. Seine Krawattentrug ich, um durch das Jurastudium an der University of Minnesota durchzukommen und die Anwaltsprüfung zu überstehen. In der Zeit, als ich als Staatsanwalt arbeitete, trug ich seine Krawatten in der letzten, entscheidenden Woche jedes Geschworenenprozesses. Seinen Füllfederhalter hatte ich auch immer dabei, bis ich Angst bekam, ihn zu verlieren. Ich besitze ihn immer noch, aber ich benutze ihn nicht wie er damals, um meine Urteilsbegründungen am Stammesgericht zu unterschreiben. Die altmodischen Krawatten reichen mir, und die goldene Quaste in der Kommode, und ich habe seither immer einen Hund, der Pearl heißt.
    Sein Hemd trug ich auch an dem Tag, als er aufhörte, Smalltalk zu betreiben, am vorletzten Tag unseres Aufenthalts. Er bemerkte, was ich da trug, und sah mich fragend an. Meine Mutter ging Kaffee holen, und ich setzte mich zu ihm. Es war das erste Mal, dass ich mit ihm allein war. Es überraschte mich nicht, dass er schon wieder die Lage einzuschätzen versuchte, noch während seine Wunden heilten, und mich fragte, ob ich wüsste, wo Lark sich aufhielt. Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, hatte aber natürlich keine Ahnung. Falls Clemence bei einem ihrer Anrufe mit meiner Mutter darüber geredet hatte, wusste ich jedenfalls nichts davon. Aber dann bekam ich am selben Abend einen Anruf; meine Mutter war gerade unterwegs, um eine Zeitung zu holen. Es war Cappy.
    Ein paar Familienmitglieder waren zu Besuch, sagte er.
    Ich wusste überhaupt nicht, wovon er sprach.
    Hier?
    Nein, dort .
    Wo denn?
    Sie haben ihm Vernunft beigebracht.
    Was?
    Wie im Holodeck, Mensch. Wie das eine Mal, als Picard der Detektiv war, weißt du noch? Die überzeugenden Argumente?
    Ach so. Erleichterung flutete kribbelnd über mich hinweg. Ach so. Ist er tot?
    Nein, nur überzeugt. Die haben ihn ganz schön zugerichtet, Mann. Der kommt nicht wieder. Sag’s deinen Eltern.
    Nach dem Gespräch überlegte ich, wie ich es ihnen sagen sollte. Wie ich so tun konnte, als wüsste ich nicht, dass es Doe und Randall und Whitey und sogar Onkel Edward waren, die Lark einen Besuch abgestattet hatten. Da klingelte es wieder. Meine Mutter war inzwischen zurück. Ich begriff, dass Opichi dran war, als Mom sie fragte, ob im Büro etwas nicht in Ordnung sei. Der Tonfall der Stimme, die ganz klein aus dem Hörer drang, war schrill und nervös. Meine Mutter setzte sich auf das Bett. Es war nichts Gutes, was sie zu hören bekam. Endlich legte sie auf, und dann rollte sie sich mit dem Rücken zu mir auf dem Bett zusammen.
    Mom?
    Sie antwortete nicht. Ich weiß noch, wie die Lampe im Badezimmer sirrte. Ich ging um das Bett herum und kniete mich daneben. Meine Mutter öffnete die Augen und sah mich an. Erst wirkte sie verwirrt und tastete mein Gesicht mit Blicken ab, als sähe sie mich zum ersten Mal, oder zumindest zum ersten Mal nach einer langen Trennung. Dann sah sie mir in die Augen und zog die Mundwinkel herunter. Sie flüsterte.
    Anscheinend hat ihn jemand zusammengeschlagen.
    Das ist gut, sagte ich. Yeah.
    Und dann, sagte sie, ist er wie verrückt in den Ort gerast und zur Tankstelle gefahren. Er hat Whitey irgendwas über seine reiche Freundin erzählt. Seine reiche Freundin hätte einen tollen Laden aufgemacht, und dass er vielleicht bei ihr mit einsteigen wollte. Er ist da rumgekurvt, hat geschrien und sich über Whitey lustig gemacht. Dann ist er abgehauen, Whitey ist mit dem Schraubenschlüssel hinter ihm her. Was meinte er bloß? Sonja ist doch nicht reich.
    Ich saß da mit offenem Mund.
    Joe?
    Ich ließ den Kopf in meine Hände sinken, die Ellbogen auf die Knie. Nach einer Weile legte ich mich ins Bett und zog mir ein Kissen über den Kopf.
    Es ist heiß hier drin, sagte meine Mutter. Lass uns die Klimaanlage anmachen.
    Wir kühlten uns ab, dann gingen wir in ein kleines Restaurant namens 50 s Café und bestellten Hamburger, Pommes und Schoko-Milchshakes. Wir aßen schweigend. Plötzlich ließ meine Mutter den Hamburger sinken. Sie legte ihn auf den Teller und sagte: Nein.
    Noch immer kauend, starrte ich sie verwundert an. Mit ihrem leicht hängenden Augenlid wirkte sie sehr kritisch.
    Stimmt

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