Das Haus des Windes
Gläser auf den Tisch und schenkte zwei davon viertelvoll. Das dritte schenkte sie halbvoll, nahm es hoch und kippte den Whiskey runter. Ich staunte. Noch nie hatte ich meine Tante Drinks kippen sehen wie ein Mann. Einen Moment lang hielt sie das leere Glas zierlich zwischen zwei Fingern und sah uns an, dann stellte sie es mit einem resoluten Klacken auf den Tisch und ging.
Was war das denn?, fragte Onkel Whitey.
Das war meine Tochter, die die Nase voll hat, sagte Mooshum. Edward tut mir jetzt schon leid. Bis er zurück ist, wird der Whiskey sie voll im Griff haben.
Sonja greift auch manchmal in die Vollen, sagte Onkel Whitey, aber ich hab da meine Tricks.
Was für Tricks?, fragte Mooshum.
Alte Indianertricks.
Dann zeig sie Edward, ja? Der Gute verliert an Boden.
Der Pie erfüllte inzwischen die Luft mit einem süßen, goldenen Duft. Ich hoffte, dass meine Tante ihn in ihrem Zorn nicht vergessen hatte.
Der Golfplatz. Ist es da passiert? Ich sah Whitey in die Augen, aber er senkte den Blink und trank einen Schluck.
Nein, ist es nicht.
Wo dann?
Whitey richtete seine traurigen, ständig rot unterlaufenen Augen auf mich. Er würde es nicht verraten. Ich hielt seinem Blick nicht stand.
Mooshum, dessen Hand eben noch so zittrig gewesen war, dass er den Tee verschüttete, griff jetzt beherzt nach seinem Whiskeyglas. Er hob es an und trank einen ordentlichen Schluck. Seine Augen strahlten. Von unserem Wortwechsel hatte er nichts mitbekommen. Er war in Gedanken noch ganz bei den Frauen.
Mein Sohn, erzähle Oops und mir von deiner wunderschönen Frau. Red Sonja. Mal es uns aus. Was tut sie gerade?
Whitey wandte seinen Blick von mir ab. Wenn er grinste, sah man die Teufelslücke zwischen seinen Schneidezähnen. Red Sonja war vor nicht allzu langer Zeit der Künstlername meiner Tante gewesen. Sie hatte eine knapp sitzende Barbaren-Kampftracht aus gestanzten Plastikteilen getragen. Um die Hüften wehten zerschlissene durchscheinende Stofffetzen, die aussahen, als hätten verzweifelte Männer oder Schoßwölfe sie zernagt und zerkratzt. Zack hatte ein Bild von ihr in einer Zeitung aus Minneapolisgefunden und es mir geschenkt. Ich bewahrte es ganz hinten in meinem Schrank auf, in einem Ordner, auf den ich eigens dafür Hausaufgaben geschrieben hatte.
Sonja arbeitet heutzutage an der Kasse, sagte mein Onkel mit der stillen Glut des Whiskeys in der Stimme. Von morgens bis abends addiert sie Zahlen. Heute zum Beispiel rechnet sie ganz genau aus, was wir nächste Woche alles nachbestellen müssen.
Mooshum schloss die Augen, hielt den Whiskey an seinem Gaumen fest und nickte. Er stellte sie sich vor, wie sie sich über die Papiere beugte. Plötzlich sah ich sie auch vor mir, und ihre Brüste, die wie Wolken über endlosen Kolonnen säuberlich notierter Zahlen schwebten.
Und was macht sie dann, fragte Mooshum träumerisch, wenn sie alle Summen und Zahlen ausgerechnet hat, wenn sie fertig ist?
Dann steht sie vom Tresen auf und holt den Wassereimer und den Abzieher mit dem langen Stiel. Sie geht raus und putzt die Scheiben, wie jede Woche.
Mooshum hatte sein schickes Gebiss nicht drin, und sein zahnloses Lächeln wurde immer breiter. Ich schloss die Augen und sah das Putzwasser aus dem pinkfarbenen Schwamm in Bächen die Scheiben herabfließen. Sonja stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte sich. Cappys großer Bruder Randall sagte immer, Mädchen, die sich auf Zehenspitzen in die Höhe streckten, sähen so gut aus, dass er freiwillig in die Schulbücherei ging. Er stellte alle guten Bücher in die oberen Regale und wartete. Mooshum seufzte. Ich sah Sonja, wie sie die Gummilitze fest an die Scheibe presste, wie sie Staub und Flecken und Flüssigkeit abzog, und zurück blieb funkelnde Klarheit.
Clemence kam wieder und riss mich aus meinen Gedanken. Ich hörte das Quietschen der Ofenklappe, dann das Schleifen auf dem Rost, als sie zwei Pies aus dem Ofen holte. Ich hörte, wie sie sie zum Auskühlen hinstellte. Die Ofenklappe knallte, und die Fliegengittertür schwang wimmernd auf und schnapptezu. Kurz darauf wehte Zigarettenrauch durch das Fliegengitter. Ich glaube nicht, dass meine Tante vorher je geraucht hat, aber seit dem Krankenhaus hatte sie damit angefangen.
Beim Geruch dieser neuen Angewohnheit wurden beide Männer wieder nüchtern. Sie wandten sich mir zu, und Whitey fragte mit ernstem Gesicht, wie es meiner Mutter gehe.
Sie will heute Abend aufstehen, sagte ich. Ich soll einen Pie mit nach Hause bringen.
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