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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Brust und flüsterte: Genau hier tut’s weh.
    Frauen, sagte ich.
    Er sah mich an.
    Die machen dich echt fertig.
    Was weißt du denn davon?
    Ich antwortete nicht. Seine Liebe zu Zelia war anders als meine Liebe zu Sonja, die jetzt von Erniedrigungen und Verrat vergiftet war, von noch größeren Wellen von Gefühlen, die mich hochrissen und zu Boden warfen. Cappys Liebe war dagegen rein. Sie fing gerade erst an, sich zu entfalten. Elwin hatte eine Tätowiernadel und arbeitete auch auf Tauschbasis. Cappy sagte, er wollte zu Elwin gehen und ihn bitten, ihm Zelias Namen quer über die Brust zu stechen.
    Nein, sagte ich. Komm schon, mach das nicht.
    Er stand auf. Ich mach’s.
    Ich konnte ihn nur dazu überreden, noch zu warten, indem ich erklärte, wenn durch sein Training seine Brustmuskeln erst mal größer wären, hätte er noch mehr Platz für die Buchstaben. Wir saßen lange da, und ich versuchte Cappy abzulenken, und es funktionierte kein Stück. Schließlich ging ich, als Doe nach Hause kam und Cappy sagte, er solle sich den Holzstapel vornehmen. Cappy schnappte sich die Axt und spaltete das Holz mit so wilden Hieben, dass ich dachte, er würde sich das Bein abhacken. Ich bat ihn, ein bisschen locker zu machen, aber er sah mich nur ausdruckslos an und hackte dermaßen auf einen der Scheite ein, dass er drei Meter in die Luft flog.
    Auf dem Rückweg zu mir, wo meine Eltern inzwischen wieder da sein würden, erlebte ich wieder dieses Gefühl, noch nicht nach Hause zu wollen. Aber ich wollte auch nirgendwo hin, woSonja sein könnte. Wenn ich an sie dachte, erinnerte es mich auch an alles andere. Vor meinem inneren Auge tauchte das Bild dieses blau-weiß karierten Stoffstücks auf und damit das Wissen, das ich immer wieder verdrängte, dass die Puppe in dem Auto gewesen war. Als ich die Puppe wegwarf, hatte ich ganz sicher Beweise zerstört, vielleicht sogar einen Hinweis darauf, wo Mayla war. Wo sie lag, an einem so abgelegenen Ort, dass selbst die Hunde sie nicht finden konnten. Ich schob die Gedanken an Mayla wieder weg. Und an Sonja. Und ich versuchte, nicht an meine Mutter zu denken. Daran, was vielleicht in Bismarck passiert war. All diese Gedanken waren Gründe, warum ich nicht nach Hause und auch nicht alleine sein wollte. Sie bäumten sich in mir auf, vernebelten mir den Geist und umfingen mein Herz. Auf meinem Weg versuchte ich sie loszuwerden, indem ich mit dem Rad über die Erdhügel hinter dem Krankenhaus fuhr. Ich raste wütend auf und ab, sprang so hoch, dass mir beim Aufprall die Knochen schmerzten. Kreiste, schlitterte. Wirbelte Dreck auf, der mir in den Mund geriet, bis ich so elend und durstig und schweißüberströmt war, dass ich endlich nach Hause konnte.
    Pearl hatte mich kommen hören und wartete am Ende der Auffahrt auf mich. Ich stieg ab und legte meine Stirn an ihre. Ich wünschte mir, mit ihr tauschen zu können. Ich hielt Pearl noch immer, als meine Mutter plötzlich schrie. Und noch einmal schrie. Und dann hörte ich zwischen ihren Schreien die leisen, leiernden Worte meines Vaters. Ihre Stimme taumelte und stürzte, genau so, wie ich gerade gefahren war, prallte hart auf, bis sie schließlich zu einem schockierten Gemurmel verrann.
    Ich blieb draußen stehen und hielt mich an meinem Fahrrad fest. Pearl stand neben mir. Irgendwann ging mein Vater durch die Hintertür raus und zündete sich eine Zigarette an, was ich noch nie gesehen hatte. Sein Gesicht war gelb vor Erschöpfung. Seine Augen waren so rot, als wären sie blutunterlaufen. Er drehte den Kopf und bemerkte mich.
    Sie haben ihn freigelassen, oder?, sagte ich.
    Er antwortete nicht.
    Oder, Dad.
    Nach kurzem Zögern zog er an der Zigarette und sah zu Boden.
    All das elektrisierende Gift, das ich beim Fahrradfahren ausgeschwitzt hatte, strömte wieder auf mich ein, und ich ging mit Worten, idiotischen Worten auf meinen Vater los. Du kriegst ja nur Penner und Würstchendiebe!
    Er sah mich überrascht an, dann zuckte er mit den Schultern und aschte seine Zigarette ab. Vergiss nicht die Falschparker und die Sorgerechtsstreitigkeiten.
    Falschparker? Gibt es hier überhaupt Plätze, wo man nicht parken darf?
    Den von dem Stammesvorsitzenden zum Beispiel.
    Und Sorgerecht. Nichts als Schmerzen, das hast du selbst gesagt. Du hast null Autorität, Dad, null Komma null, du kannst überhaupt nichts machen. Warum tust du das alles überhaupt?
    Du weißt, warum.
    Weiß ich nicht! Ich schrie ihn an und ging rein, weil ich bei meiner Mutter sein

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