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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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gearbeitet, aber dann hatte Star angerufen und ihn losgeschickt, um bei Cappy eine Rohrspirale auszuleihen. Wahrscheinlich waren sie jetzt bei Angus zu Hause, tranken Elwins Blatz und pulten den Schmodder aus einem stinkenden Abflussrohr. Meine Bilder langweilten mich. Ich überlegte, ob ich mir das Cohen-Handbuch schnappen sollte, aber die Aktenlektüre mit meinem Vater hatte eine stille Verzweiflung in mir hinterlassen. Früher hätte ich mich an so einem Tag oben in meinem Zimmer eingeschlossen und den versteckten Ordner mit den Hausaufgaben durchgeblättert. Die ständige Präsenz meiner Mutter im Obergeschoss hatte dieser Angewohnheit ein Ende gemacht. Ich überlegte, ob ich zu Angus rübermachen oder mir die nächsten Tolkien-Bände vornehmen sollte, die mein Vater mir zu Weihnachten geschenkt hatte, beschloss dann aber, dass ich dazu nicht verzweifelt genug war. Der Regen war so ein endloser grauer, prasselnder Schauer, in dem dein Haus dirkalt und elend vorkommt, selbst wenn nicht gerade im Obergeschoss die Seele deiner Mutter vor sich hin versiecht. Ich stellte mir vor, dass er sämtliche Pflanzen im Garten aus der Erde spülen würde, aber das hätte meine Mutter natürlich wenig interessiert. Ich brachte ihr ein Sandwich, aber sie schlief. Ich nahm die Tolkien-Ausgabe aus dem Regal. Ich hatte gerade im endlosen, endlosen Geprassel zu lesen angefangen, als aus dem strömenden Regen wie ein triefnasser Hobbit Linda Wishkob auftauchte, um schon wieder meine Mutter zu besuchen.
    Schon war sie, fast ohne mich anzusehen, die Treppe hochgegangen. Sie hatte ein kleines Päckchen dabei, wahrscheinlich ein Stück von ihrem Bananenbrot – sie kaufte die Bananen, wenn sie schon schwarz waren, und ihr Brot war legendär. Von oben war eine Menge Getuschel zu hören, von dem ich nichts verstand. Dass meine Mutter ausgerechnet mit Linda Wishkob sprach, hätte mich irritieren oder beunruhigen oder zumindest wundern können. Aber das tat es nicht. Meinen Vater dagegen schon. Als er nach Hause kam und hörte, dass Linda oben war, sagte er leise: Die schnappen wir uns.
    Was?
    Und du bist der Köder.
    Na, vielen Dank.
    Mit dir wird sie reden, Joe. Dich mag sie. Und deine Mutter auch. Vor mir hat sie Angst. Belausch die beiden.
    Warum willst du unbedingt, dass sie redet?
    Wir können jedes bisschen Information gebrauchen – alles, was sie zu den Larks zu sagen hat.
    Aber sie ist eine Wishkob.
    Eine adopierte Wishkob. Denk an den Fall, den wir uns angesehen haben.
    Ich glaube kaum, dass das relevant ist.
    Schicke Vokabel.
    Schließlich willigte ich ein, und Dad hatte glücklicherweise Eis mitgebracht. Das war Lindas Lieblingsessen.
    Selbst wenn es regnet?
    Er lächelte. Sie ist wechselwarm.
    Also fragte ich Linda, als sie die Treppe herunterkam, ob sie eine Portion Eis wolle. Sie fragte, welche Sorte. Ich sagte, es sei dieses gestreifte Zeug. Fürst-Pückler-Eis, sagte sie und nahm die Einladung an. Wir setzten uns in die Küche, und Dad schloss ganz beiläufig die Tür mit den Worten, Mom brauche jetzt Ruhe, und wie nett es von Linda sei vorbeizuschauen und wie gut uns allen ihr Bananenbrot schmecke.
    Die Gewürze sind großartig, sagte ich.
    Ich benutze nur Zimt, sagte Linda, und ihre Glubschaugen weiteten sich vor Behagen. Echten Zimt, den ich in Gläsern kaufe, nicht aus der Dose. Den gibt es in der Exotikabteilung bei Hornbacher’s in Fargo. Nicht das Zeug, das man hier bekommt. Manchmal kommt noch ein bisschen Zitronen- oder Orangenschale dazu.
    Sie war so glücklich darüber, dass wir ihr Bananenbrot mochten, dass ich dachte, Dad brauchte mich gar nicht mehr, um sie zum Reden zu bringen, aber er sagte: War es nicht gut, Joe? Und ich erzählte, ich hätte es zum Frühstück gegessen und sogar ein Stück geklaut, weil Mom und Dad alles für sich gebunkert hatten.
    Nächstes Mal bringe ich zwei Brote mit, sagte Linda liebevoll.
    Ich schaufelte mir Eis in den Mund und erwartete, dass mein Vater den Rest erledigen würde, doch er hob bedeutsam die Augenbrauen.
    Linda, sagte ich, ich habe da … Ich habe mich gefragt … Aber das ist eine ziemlich persönliche Frage.
    Nur immer raus damit, sagte sie, und ihre blassen Züge überzog ein rosiger Schimmer. Vielleicht stellte ihr sonst niemand persönliche Fragen. Ich dachte schnell nach und ließ meiner Zunge freien Lauf.
    Ich hab ein paar Freunde, wissen Sie, deren Eltern oder Cousinsadoptiert worden sind. Aus unserem Stamm raus. Und das ist ziemlich hart, habe ich

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