0550 - Der Heimkehrer
Ich wiederhole mich zwar ungern, aber es war wirklich so. Der Anruf riß mich aus dem tiefsten Schlaf.
Da drang das Schrillen des Telefons wie der Klang einer Sirene durch meinen Kopf. Irgendwo schmerzte der Laut auch, und es dauerte seine Zeit, bis ich mich zurechtgefunden hatte. Dabei lag ich in meinem Bett und nicht irgendwo fremd in einem Zimmer.
Fast hätte ich noch den Apparat vom Nachttisch gestoßen, so tapsig reagierte ich.
»Ja, Sinc…«
»Ich weiß, daß du es bist, John!«
»Hä? Bill?«
»Klar.«
»Um diese Zeit? Verdammt, hast du keine Uhr im Haus? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Und ob ich das weiß, mein Junge.« Allmählich klärte sich mein Hirn, die Gedanken faßte ich zu folgerichtigen Schlüssen zusammen, und ich sagte mir, daß Bill nicht ohne Grund angerufen hatte.
»John, du bist der einzige, an den ich mich wende. Es geht um Sheila!«
»Was?«
»Ja, John, sie ist…«
»Doch nicht…«
»Daran dürfen wir nicht denken, aber ich bin auf dem Weg zu ihr. Bitte, komm auch ins St. Stephan Hospital.«
»Weshalb?«
»Sie… sie will uns noch einmal sehen, glaube ich.« Bills Stimme klang erstickt. »Ein Arzt hat mich angerufen. Er wunderte sich auch, daß Sheila plötzlich gesprochen hatte, fast unmöglich in ihrer Situation, aber sie haben die Worte auf einer Kassette aufgenommen und werden sie uns abspielen, wenn wir erscheinen.«
»Was hat sie denn gesagt?«
»Das weiß ich nicht, John. Kommst du denn?«
»Was soll die Frage? Natürlich komme ich. Wenn jemand Wünsche hat, dann soll man sie erfüllen.«
»Hoffentlich war es nicht ihr letzter«, flüsterte Bill, bevor er auflegte.
Die Worte hatten mir einen Stich gegeben, aber so unrecht brauchte Bill nicht zu haben. Sheilas Leben hing noch immer am seidenen Faden. Seit zwei Tagen kämpfte sie bereits mit dem Tod. Die erste große Krise hatte sie glücklicherweise überstanden, dann war eine zweite gekommen, gerade dann, als die Ärzte damit rechneten, daß sie sich wieder erholen würde. Sheila war zurück in einen schlimmen Zustand geglitten, der auch ihren Mann Bill so ungemein stark deprimiert hatte. Nun kämpfte sie weiter, aber sie hatte gesprochen.
Eine Hoffnung? Es konnte auch das Gegenteil von dem bedeuten.
Möglicherweise hatte sich Sheila verabschieden wollen. Daran allerdings durfte ich nicht denken.
Ich kippte mir hastig kaltes Wasser ins Gesicht und vertrieb so die letzten Reste der Müdigkeit. In Rekordzeit schlüpfte ich in die Kleidung, aber darin hatte ich mittlerweile Routine bekommen. Während ich mich hastig fertigmachte, ließ ich mir die nahe Vergangenheit noch einmal durch den Kopf gehen.
Sheilas Verletzung stammte von einem Messerstich. Man hatte ihr vor dem Haus aufgelauert. Ein junges Mädchen, getroffen von Amors teuflischem Pfeil, war auf die Seite der Hölle gezogen worden. Der Teufel hatte sich vorgenommen, die Liebe auf der Welt auszurotten und die alte Figur des Amor in seinem Sinne umfunktioniert. Er hatte ihr höllische Kräfte eingehaucht und aus dem Gott der Liebe eine Figur der Hölle gemacht.
Amor verschoß jetzt seine Pfeile im Sinne des Teufels. Wer getroffen wurde, in dem steckte die Kraft der Hölle, der vergaß, was er einmal gewesen war und lebte allein nach den Gesetzen der Schwarzen Magie. Da machte es ihm auch nichts aus, wenn er versuchte, einen Menschen umzubringen. Bei Sheila hatte der Teufel seinen Plan begonnen.
Asmodis haßte die Conollys bis aufs dämonische Blut. Er mochte keine Familienbande und Liebe, und er hatte eben versucht, Sheila zu töten.
Das Messer war in ihren Körper gedrungen, hatte sie allerdings nicht tödlich verletzt. Wäre Sheila fünf Minuten später gefunden worden, dann wäre sie verblutet. So hatte sie quasi im letzten Augenblick in ein Krankenhaus geschafft werden können.
Dort kämpfte sie um ihr Leben.
Aber der Teufel hatte nicht genug gehabt. Auch Johnny hatte er durch seine Dienerin umbringen wollen. Das war ihm nicht gelungen, weil die Wölfin Nadine im letzten Augenblick dazwischen gesprungen war. Sie war ebenfalls von der Klinge erwischt worden und lag verletzt im Haus der Conollys. Fast hätte der Satan sie sogar in seine Klauen bekommen, sie war bereits eine Verwandelte gewesen. Den Plan allerdings hatte ich mit Hilfe meines Kreuzes zunichte machen können. [1]
Darüber dachte ich nach, als mich der Lift in die Tiefgarage brachte, wo zwischen all den anderen Wagen nicht nur mein Dienstrover parkte, sondern auch Sukos
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