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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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kleinen Kinder. Ich half ihm auf, und er ließ sich mit geschlossenen Augen bereitwillig zu dem Feldbett im Wohnzimmer führen, auf dem er tagsüber döste, gleich neben dem Panoramafenster. Es war so platziert, dass er beim Aufwachen direkt in den heißen, ewigen Himmel sah.
    Sobald Clemence wieder da war, brach ich auf und radelte zu einer Ausbuchtung des Sees außerhalb der Siedlung. Sie hatte flache Ufer, und als ich das letzte Mal dort vorbeikam, hatte ich einen Reiher gesehen. Alle Reiher, Kraniche und sonstigen Ufervögel waren meine Doodemag, mein Glück. Es gab dort einen Steg aus grau verwitterten Bohlen, von denen manche fehlten. Ich legte mich auf das warme Holz, und die Sonne schien direkt bis in meine Knochen. Zuerst konnte ich nichts entdecken. Dann fiel mir auf, dass sich genau da, wo ich hinstarrte, der Umriss eines Reihers im Schilf abzeichnete. Ich beobachtete den Vogel, wie er am Ufer stand. Reglos. Plötzlich, blitzschnell, packte er einen kleinen Fisch, den er umständlich in seinen Schlund beförderte. Der Reiher stand wieder still, diesmal auf einem Bein. Ich wartete ungeduldig darauf, dass das Glück sich zeigte.
    Okay, rief ich, was ist mit dem Glück?
    Mit einem Aufflammen seiner langen, spitzen Flügel warf sich der Reiher in die Luft und flog zur anderen Seite des Sees, wo das Rundhaus war, die Klippe und die steil abfallende Stelle, wo wir gern schwimmen gingen. Der Wind trieb Wellen, Müll und fliegenden Schaum in meine Richtung. Ich wandte mich enttäuscht ab, robbte mich an eine Lücke im Lattenboden heran und sah durch das klare Wasser des Sees in den Schatten des Stegs hinab. Oft konnte man dort junge Barsche, Wasserläufer oder sogar eine Schildkröte beobachten. Diesmal starrte mir einKindergesicht entgegen. Erschreckend, obwohl ich gleich begriff, dass es eine Puppe war, eine Plastikpuppe, die mit weit aufgerissenen Augen auf den Grund gesunken war. Mit einem Grinsen, als hätte sie ein kleines Geheimnis, und blauen Augen mit Glitzer in der Iris, in dem sich Sonnenpunkte fingen. Ich sprang auf, wirbelte herum und kniete mich hin, um besser sehen zu können. Mir fiel ein, dass zu dem Spielzeug auch ein echtes Kind gehören könnte, das vielleicht unter dem Steg eingeklemmt war. Eine Wolke schob sich vor die Sonne. Ich überlegte, ob ich Cappy holen sollte, aber dann siegte die Neugier, und ich spähte noch einmal durch die Lücke zwischen den Bohlen hindurch. Da war nur die Puppe. Eine weibliche Babypuppe, die mit einem blaukarierten Kleid, einer pludrigen Hose und diesem verschlagenen Lächeln im Gesicht seelenruhig über den Grund des Sees trieb. Als ich sicher war, dass kein echtes Kind dazugehörte, fischte ich die Puppe herauf und schüttelte sie, um das Wasser aus der Nahtstelle zwischen dem Kopf und dem Plastikkörper tröpfeln zu lassen. Ich zerrte den Kopf ab, um das restliche Wasser herauszuschütten, und da, genau da war mein Glück. Die Puppe war voller Geld.
    Ich steckte den Kopf wieder fest. Ich blickte mich um. Alles ruhig. Es war niemand zu sehen. Ich nahm den Kopf wieder ab und sah ihn mir genauer an. Er war mit säuberlich aufgerollten Geldscheinen vollgestopft. Ein-Dollar-Scheine, dachte ich. Hundert, zweihundert vielleicht. Mein Rucksack hing hinter meinem Sattel. Ich warf die Puppe hinein und radelte Richtung Tankstelle. Unterwegs dachte ich über mein Glück nach – ein Schuldgefühl haftete daran. Ich nahm an, dass die Person, der die Puppe gehörte, ein Mädchen war, vielleicht sogar jemand, den ich kannte. Sie hatte ihr ganzes Leben lang gespart, Scheine hier und da zusammengekratzt, Geld für Botendienste, Geburtstagsgeld, Dollarscheine von betrunkenen Onkeln. Alles, was sie besaß, war in dieser Puppe, und jetzt hatte sie sie verloren. Ich vermutete, dass mein Glück nicht von Dauer sein würde. Eineverzweifelte Suchanzeige würde irgendwo auftauchen, vielleicht sogar in der Zeitung, eine hoffnungslose Botschaft, die die Puppe beschrieb und um ihre Rückgabe bat.
    Als ich an der Tanke ankam, stellte ich mein Fahrrad neben der Tür ab und steckte mir die Puppe unter mein T-Shirt. Sonja bediente gerade einen Kunden. Ich betrachtete das Schwarze Brett. Da waren Inserate zu Rindersamen und Wolfswelpen, Verkaufsangebote für kaputte Stereoanlagen, hoffnungsvolle Schnappschüsse und Beschreibungen von Quarter-Horse-Pferden, Pintos und Gebrauchtwagen. Keine Puppe. Endlich war der Kunde fertig. Ich hielt die Puppe noch immer unter meinem Hemd

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