Das Haus im Moor
können: ›Das richtige Mädchen? Bring mich nicht zum Lachen. Nachdem ich all die Jahre das Theater mit dir und Vater miterlebt habe, willst du mir raten zu heiraten?‹ Das hätte er sagen können, aber er tat es nicht. Und sie dankte Gott, daß die schlechten Erfahrungen seine Vorstellung von der eigenen Zukunft nicht zu dunkel gefärbt hatten, wenigstens nicht, wenn es um Mädchen ging.
Als sie sich umdrehte, waren die Bilder vom Bett verschwunden, und er sah jetzt aus dem Fenster. Sein Kopf und seine Schultern waren leicht nach vorn gebeugt. Sie ging nicht zu ihm, sie berührte ihn nicht, wie sie es eigentlich wollte, sie sagte nur: »Ich werde mich fertig machen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie kommen.«
Während sie die Diele durchquerte und an den vier flachen Stufen vorbeiging, die zum Studio ihres Mannes und zum Dachgarten führten, hielt sie für einen Augenblick inne, neigte den Kopf und lauschte. Da sie kein Hämmern der Schreibmaschine hörte, hob sie leicht die Augenbrauen und ging dann in die Küche.
Die Küche war so modern, wie man es in einer Siebentausend-Pfund-Wohnung erwarten konnte. Das Fenster im sechsten Stock wies nach Newcastle Town Moor. Über die Dächer der Häuser und die dunklen Schatten der Stadt hinweg konnte man das Moor sehen. Constance mochte Newcastle. Sie mochte den Gegensatz zwischen Norden und Osten und die Menschen, die dort lebten. Obwohl ihr Akzent und sogar ihr Auftreten sie zu einer aus dem Süden, ja fast schon zu einer Ausländerin stempelten, fühlte sie sich akzeptiert. Aber wen kannte sie denn eigentlich außer Jims Verwandtschaft und den Thompsons über ihnen, mit denen sie gelegentlich Bridge spielten? Ihr Urteil basierte hauptsächlich auf dem Verhalten der Ladenbesitzer, der Busfahrer und der Gepäckträger an den Busbahnhöfen. Ihr Mann aber, der in Newcastle geboren und aufgewachsen war und der letztes Jahr darauf bestanden hatte, hierher zurückzukehren und hier zu leben, hatte kaum ein gutes Wort für irgendjemanden aus dem Norden übrig.
In den ersten Monaten ihrer verrückten Liebe, sogar noch im ersten Jahr ihrer Ehe hatte sie seine aggressive Haltung seinen eigenen Leuten gegenüber für ein Merkmal seines starken Charakters gehalten. Sie hatte einfach angenommen, daß seine Arroganz nur eine Folge des dauernden Kampfes und Bemühens war, sich als Schriftsteller zu etablieren. Als sie schließlich dahinter gekommen war, daß dieser Charakterzug von einem gigantischen Minderwertigkeitskomplex herrührte, hatte sie Mitleid mit ihm gehabt. Und dieses Mitleid, das wußte sie, hätte ihre Liebe wachsen lassen. Aber die andere Sache, diese andere Sache, die zu einer Art Krankheit geworden war, diese Sache hatte sie besudelt, und sie fühlte sich verdorben, wenn er sie berührte.
Als Constance sich vom Fenster abwandte und den Kühlschrank öffnete, wurde ihr klar, daß sie es bedauern würde, diese Wohnung zu verlassen. Sie nahm ein Tablett mit acht Gläsern Obstsalat heraus und dachte an die sieben Wohnungen, die sie während ihrer neunzehn Jahre dauernden Ehe bewohnt hatte. Es hatte ihr nie etwas ausgemacht umzuziehen. Aber bei dieser Wohnung war es anders. Vielleicht war es der Ort selbst. Vielleicht lag es daran, daß sie während des letzten Jahres weniger Hoffnung gehabt hatte. Vielleicht war es auch so, daß sie wußte, daß sie jetzt gehen konnte, ohne daß dies für Peter Nachteile hätte.
Aber dann kam ihr der Gedanke, daß es für Peter keinen Unterschied gemacht hätte, wenn sie ihn nur mitgenommen hätte. Das bedeutete, daß sie geblieben war, weil sie hatte bleiben wollen, daß sie geblieben war, weil sie entgegen jeder Vernunft gehofft hatte, daß Jim sich ändern würde … Und war das geschehen? Wenigstens benahm er sich ihr gegenüber jetzt anständiger. Sie wollte nicht auf die Stimme hören, die ihr sagte, daß jemand sich anständig benehmen muß, wenn er fürchtet, sonst alle Unterstützung zu verlieren. Stattdessen sagte sie sich, daß er seßhafter geworden sei: Er hatte einfach nicht mehr das Bedürfnis, ohne ein Wort davonzufahren und zwei oder drei Tage, manchmal sogar eine Woche lang nicht wiederzukommen. Sein Leben entsprach jetzt einem Muster: Er arbeitete bis zum Mittagessen in seinem Studio, am Nachmittag machte er einen langen Spaziergang. Er war sehr stolz auf seine Figur. Mit vierundvierzig hatte er noch kein überflüssiges Fett angesetzt. Sein Nacken war muskulös, und sein sandfarbenes Haar zeigte keinen
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