Das Herz Der Woelfin
einfacher. Ein kurzer Kampf, dann der Tod. Besser, als die Jahre der Einsamkeit und des Verlustes, die ihr bevorstanden.
„Wir haben uns geliebt“, flüsterte sie kaum hörbar. „Der König jedoch will, dass er eine andere zur Frau nimmt.“
„Wenn er lieber dem Wunsch seines Königs folgt als seinem Herzen, dann ist er deiner nicht wert. Er hätte sich weigern können“, erklärte Leif aufgebracht.
Ylfa schüttelte traurig den Kopf.
„Leider ist es nicht so einfach. Wenn er diese Frau nicht ehelicht, dann muss seine Schwester einen Mann heiraten, der als brutal und grausam bekannt ist und dessen erste Frau den Freitod wählte, nur um ihm zu entfliehen. Fulk hatte keine Wahl. Und ich hätte nicht damit leben können, wenn er mich gewählt hätte und Gisela deswegen an dieses Monster gegeben worden wäre. – Nein! Uns war von Anfang an keine Zukunft gegeben. Was habe ich dummes Mädchen erwartet? Dass ein Adliger eine Leibeigene zur Frau nimmt?“
„Du bist selbst adlig. Du bist die Tochter des Jarls. Dein Vater hat Macht, Ansehen und Gold. Du wärst eine gute Partie für jeden Mann. Und darüber hinaus bist du wunderschön und mutig. Was kann ein Mann mehr erwarten?“
Leif drehte Ylfa zu sich herum und schüttelte sie. Mit tränenfeuchten Augen schaute sie in das ihr so vertraute Gesicht. Seine Miene drückte Verzweiflung und Schmerz aus.
„Ich möchte eine Weile allein sein“, sagte sie.
Leif schaute sie eindringlich an, ehe er zustimmend nickte.
„In Ordnung. Aber vergiss nie. Was auch geschieht. Ich werde immer für dich da sein.“
*
Als der Fjord in Sicht kam, erfüllte sich Ylfas Herz wider Erwarten mit Freude. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie ihre Heimat gesehen hatte. Aufgeregte Menschen liefen am Ufer auf und ab, Kinder winkten, Hunde bellten. Doch Ylfa konnte weder ihren Vater noch einen seiner Männer ausmachen.
„Er hält es nicht einmal für notwendig, mich zu begrüßen“, sagte Ylfa traurig.
„Man wird ihn gerade erst informiert haben. Sicher kommt er bald.“
Doch auch, als sie an Land gegangen waren und das königliche Boot wieder abgelegt hatte, war von ihrem Vater weit und breit nichts zu sehen. Nur die Dorfbewohner begrüßten Ylfa und die Männer überschwänglich. Von überall kamen Menschen auf Ylfa zu, umarmten und küssten sie. Menschen, die Ylfa lieb und teuer waren, für die sie aber in diesem Moment keine Geduld aufbrachte. Sie reckte den Hals, um in dem Getümmel die Gestalt ihres Vaters ausfindig zu machen, doch er war nirgends zu sehen. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Warum begrüßte er sie nicht. War er so böse mit ihr? Oder war ihm vielleicht etwas passiert? Auch von den Männern, die mit ihr zusammen den Überfall auf die fränkische Festung gemacht hatten, war weit und breit nichts zu sehen. Waren sie am Ende gar nicht nach Hause zurückgekehrt? Ylfas Herz sank.
Sie wurden in das Langhaus des Jarls eskortiert. Ylfa schaffte es schließlich, Leif aus der Menge herauszureißen und ihn auf die Seite zu ziehen.
„Wo ist mein Vater? Und die Männer? Hast du etwas herausbekommen?“, fragte sie ihn eindringlich.
„Ich fürchte, ich habe keine guten Neuigkeiten“, antwortete Leif zähneknirschend.
„Was ist passiert?“, schrie Ylfa ihn an.
„Die Männer sind hier vor einer Woche angekommen und haben deinem Vater berichtet, was vorgefallen ist. Schon am nächsten Morgen ist dein Vater mit den Männern aufgebrochen, um dich zu retten.“
Ylfa erbleichte und stieß einen erschrockenen Schrei aus.
„Sie werden die Festung angreifen und Männer werden getötet werden. Vielleicht sogar mein Vater selbst oder Fulk! Und das alles für nichts! Die Mission ist vollkommen umsonst. Ich bin doch längst hier!“, rief sie verzweifelt.
„Vielleicht kommt keiner von ihnen zu Schaden“, versuchte Leif zu beruhigen.
Tränen strömten über Ylfas Wangen.
„Was können w k& heir nur tun?“, schluchzte Ylfa.
„Ich fürchte, wir können gar nichts tun, als abzuwarten.“
*
Fulk war erleichtert, dass auch der König endlich abgereist war. Am Tag zuvor hatten Gräfin Elenor und Genofeva die Heimreise nach Trugstein angetreten, nun war der König mit seinem Gefolge auch aufgebrochen.
„Kommst du zum Abendmahl, Bruder?“
Gisela war von hinten an ihn herangetreten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er hatte nicht einmal gehört, dass sie ins Zimmer gekommen war.
„Ich habe keinen Hunger“, sagte Fulk schwach.
„Ich mache mir
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