Das Herz des Drachen
und Zauberspruchfragmenten.
Endlich kam er zu Hause an.
Natürlich war das eigentlich nicht Moondoggys Zuhause. Die Bude gehörte eigentlich seinem Kumpel Freddy, der im August nach Osten zum Woodstock Festival gefahren war. Dann hatte er sich entschieden, in New York zu bleiben und ein berühmter Folkmusiker zu werden. Das Letzte, was Moondoggy von ihm gehört hatte, war, dass er einen Gig in Gerde’s Folk City in Greenwich Village bekommen hatte. Viele Leute hatten ihren Durchbruch im Folk City gehabt. Bob Dylan, Arlo Guthrie, Judy Collins und Doc Watson, also hatte Freddy gedacht, was die können, kann ich auch.
Natürlich wusste Freddy nicht mal, wie er seine Gitarre richtig stimmen konnte, also hatte Moondoggy nicht viel Hoffnung. Aber solange Freddy seinen Traum verwirklichte, hatte er einen Platz zum Übernachten, und das war alles, was zählte.
Er hoffte nur, dass Freddy nicht herausfinden würde, was mit seinem echt abgefahrenen Becher passiert war. Freddy hatte verkündet, dass er das Koffein runtergefahren hatte, also würde er es vermutlich nicht mal bemerken.
Er erklomm eine wacklige Treppe und fummelte in der Hosentasche nach den Schlüsseln. Sein Abkommen war klasse – Freddy nahm ihm keine Miete ab. Er hatte ihn lediglich gebeten, seine Katze Viola Lee zu füttern, und das war seit Wochen kein Thema mehr.
Als er an seinem Ziel angekommen war, streckte er die Hand nach dem Türknauf aus.
Aber sie öffnete sich von selbst.
„Abgefahren“, murmelte Moondoggy und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Aber er beruhigte sich schnell wieder. „Musst vergessen haben, abzuschließen.“ Das wäre sicherlich nicht das erste Mal. Das war genau der Grund, warum er sich nicht länger Gedanken um Viola Lee machen musste.
Als er eintrat, hörte er, dass eine Led-Zeppelin-Platte auf seinem – okay, Freddys – Plattenspieler lief. Da wusste Moondoggy, dass hier was nicht stimmte. Erstens, er hasste Zeppelin. Dazu kam, dass er ein paar Stunden weg gewesen war. Wenn er also eine Platte angelassen hätte, wäre die Nadel schon lange am Ende der Seite angekommen. Sie würde auf keinen Fall mehr spielen.
Er ging vorsichtig durch den kurzen Flur ins winzige Wohnzimmer der Bude und sah jemanden auf der Couch sitzen.
„Albert?“, fragte Moondoggy und man konnte seine Erleichterung geradezu spüren. „Du bist ja früh dran, Mann. Nicht, dass ich mich beschweren will oder so.“ Er erinnerte sich vage, dass er seinen Nachbarn gebeten hatte, nach Albert Ausschau zu halten. Timing war nicht gerade eine von Moondoggys Stärken.
Albert lächelte nur. Er war ein junger Asiate und wenn Moondoggy sich recht erinnerte, war er halb Chinese, halb Japaner. Sein dunkles Haar mit der Pilzkopffrisur verlieh ihm das Aussehen eines asiatischen Paul McCartney mit flachem Gesicht. Oder zumindest so, wie Paul McCartney ausgesehen hatte, bevor er sich einen Vollbart wachsen ließ. Die Nasenspitze stand ein bisschen vor, was irgendwie komisch wirkte. Albert trug eine weiße Nehrujacke und schwarze Hosen. Er wirkte viel zu elegant, um in so einem Loch herumzuhängen.
Er stand auf.
„Ich arbeite nach einem Zeitplan, Doggy. Weißt du, Zaubersprüche wirken am besten in der Neumondnacht.“ Sein Gesichtsausdruck besagte, dass er sich eine Wirkung von dieser Äußerung erhoffte.
„Abgefahren, Mann“, antwortete Moondoggy nickend. Er hatte dem Mondzyklus nie viel Beachtung geschenkt, also hatte er keine Ahnung, wann vielleicht Neumond war. Er grub mit der Hand in der Hosentasche und zog den Papierfetzen heraus, den der alte Mann ihm gegeben hatte. „Hier, Mann. Hast du auch meine Kohle?“
Albert nahm das zerknitterte Papier aus Moondoggys Hand und betrachtete es aufmerksam.
„Alles zu seiner Zeit, ’Doggy. Ich muss sichergehen, dass das hier die richtige Ware ist.“
Moondoggy nickte.
„Das verstehe ich, Mann.“ Er hatte schon oft Gras gekauft, ohne zu prüfen, ob es gut war, und meistens zu seinem Bedauern. Ist immer gut, zuerst die Ware zu inspizieren.
Albert zog einen viel glatteren Papierstreifen aus seiner Nehrujacke. Er entfaltete ihn und hielt ihn neben das Papier, das Moondoggy ihm gegeben hatte.
Dann fing er an, breit zu grinsen.
Da stimmte etwas mit dem Grinsen nicht.
„Ausgezeichnet.“
„Kann ich jetzt meine Kohle kriegen?“, fragte Moondoggy. Er wollte es endlich hinter sich haben.
Aber Albert hatte scheinbar vollkommen vergessen, dass er da war. Jetzt schien er etwas zu singen, und
Weitere Kostenlose Bücher
Zehn Mal Fantastische Weihnachten. Zehn Online Lesen
von
Sandra Regnier
,
Teresa Sporrer
,
Jennifer Wolf
,
Cathy McAllister
,
Natalie Luca
,
Jennifer Jäger
,
Melanie Neupauer
,
Katjana May
,
Mara Lang
,
Lars Schütz
,
Pia Trzcinska