Sinnlicher Maskenball in Venedig
1. KAPITEL
Es konnte gar nicht sein! Valentina D’Angelis Blick war auf den Teststreifen in ihrer Hand gerichtet. Ihre Finger zitterten. Die blaue Linie sagte ihr eindeutig, dass sie ein Kind erwartete.
Es war absurd. Und doch nicht völlig unmöglich.
Tina schauderte. Die Nacht des Maskenballs war die verrückteste Nacht ihres Lebens gewesen. In dieser Nacht hatte sie sich über alle Tabus hinweggesetzt. Sie hatte ein einziges Mal in ihrem Leben die Frau sein wollen, die sie nie hatte sein dürfen. Eine Frau, die aus purer Lust mit einem fremden Mann schlief. Und am nächsten Morgen verschwand, ohne sich noch einmal umzusehen.
Eine einzige Nacht lang hatte sie sich leidenschaftlich und verführerisch geben wollen, um ihre Schüchternheit ein für alle Mal zu überwinden. Sie wollte wie all die anderen Frauen in ihrem Alter sein – selbstbewusst, erfahren und souverän.
Seufzend nahm Tina einen neuen Teststreifen aus der Verpackung. Irgendetwas musste mit dem ersten Streifen nicht in Ordnung sein. Zumindest hoffte sie, es wäre so.
Rein theoretisch war diese Nacht eine gute Idee gewesen. In der Praxis jedoch hatte es ganz anders ausgesehen. Selbst mit der Maske, die ihr eine gewisse Anonymität verlieh, hatte sie sich nicht so hemmungslos geben können wie geplant. Dabei war sogar ihre Freundin Lucia von der Idee überzeugt gewesen.
„Du musst endlich mal mit einem Mann schlafen, Tina“, hatte Lucia sie gedrängt.
Tina war errötet und hatte gar nicht gewusst, was sie sagen sollte. Ihre Freundin hatte recht. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und immer noch Jungfrau. Sie hatte es satt. Aber sie hatte nicht wirklich geglaubt, dass sie in dieser Nacht ihre Unschuld verlieren würde. Sie hatte getanzt und versucht, ein wenig zu flirten. Doch als ihr Tanzpartner sie an sich zog und ihr seine Knoblauchfahne in die Nase stieg, wusste sie, dass sie es nicht konnte. Sie stieß ihn von sich und floh aus dem Palazzo, hinaus an einen der unzähligen Kanäle Venedigs. Tief atmete sie die frische Luft ein. Hier war es angenehm ruhig und kühl.
Und in diesem Moment tauchte er auf. Nicht der Mann, vor dem sie geflohen war, sondern der, mit dem sie die Nacht verbringen würde. Groß und dunkelhaarig, trug er einen eleganten schwarzen Samtanzug und eine seidene Maske über den Augen.
Er zog sie sofort in seinen Bann. Und sie ließ sich bereitwillig von ihm verführen. Er hatte sie so zärtlich geliebt, dass ihr allein bei der Erinnerung daran Tränen in die Augen stiegen.
„Keine Namen“, hatte er ihr ins Ohr geflüstert. „Keine Gesichter.“
Das war es, was die Magie zwischen ihnen ausgemacht hatte. Und dennoch – sie hätte nur zu gern gewusst, wer er war. Es hatte sie traurig gemacht, dass sie es wohl nie herausfinden würde.
Tina schluckte, als das vertraute Gefühl der Beklemmung sie wieder überkam. Manchmal war es besser, wenn man nicht alles wusste. Sie wünschte, sie hätte es immer noch nicht gewusst.
Als das Mondlicht das Gesicht des schlafenden Fremden neben ihr erhellte, hatte sie sich nicht zurückhalten können. Vorsichtig hatte sie die Maske hochgeschoben. Ihr stockte noch immer der Atem, wenn sie an diesen Moment dachte.
Er hatte seelenruhig weitergeschlafen, während sie nach Luft rang. Er war nicht einmal aufgewacht, als sie aus dem Bett sprang und mit wild klopfendem Herzen in dem dunklen Hotelzimmer stand und auf ihn herabsah.
Musste es ausgerechnet dieser Mann sein?
Im nächsten Moment hatte sie nicht mehr klar denken können. Panisch hatte sie sich angezogen und war, so leise sie konnte, aus dem Zimmer geflohen.
Tina seufzte, während sie auf den neuen Teststreifen in ihrer Hand starrte. Das Universum hatte sich offenbar einen Scherz mit ihr erlaubt. Oder es wollte sie bestrafen. Dafür, dass sie mit einem fremden Mann geschlafen hatte.
Dabei war er gar kein Fremder. Sie kannte ihn, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Er war immer ihr großer Schwarm gewesen.
Tina biss sich auf die Lippe. Die Sekunden schienen in Zeitlupe zu verstreichen.
Dann hatte sie die Antwort. Diese war ebenso eindeutig und schockierend wie beim ersten Versuch.
Schwanger.
„Da ist eine Frau, Signore Marchese“, informierte ihn der Ober.
Niccolo Gavretti, der Marchese di Casari, saß in einem exklusiven Hotelrestaurant in Rom und warf ihm einen unbeeindruckten Blick zu.
Da war immer eine Frau. Frauen waren nun einmal sein liebstes Hobby. Jedenfalls solange sie nicht mehr forderten, als er zu geben
Weitere Kostenlose Bücher