Das Herz des Drachen
war.
„Hallo?“
„Ist da Marcus Wallace?“
„Äh, ja.“ Wer zur Hölle?
„Dean Winchester, Sams Bruder. Wir haben den Laptop und kommen jetzt gleich zu Ihnen.“
„Großartig – bis gleich.“ Er wollte schon auflegen, dann führte er den Hörer zurück ans Ohr. „Und, hey, ich habe Ihrem Bruder gesagt, dass ich nichts versprechen kann. Vielleicht kann ich nichts für Sie herausfinden.“
„Ja, das hören wir oft.“ Dean klang mindestens genauso müde wie sein Bruder. „Wir sehen uns gleich.“
Marcus legte den Hörer des Krankenhaustelefons auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Seine Verbindungen zu der merkwürdigen Welt, in der Bartow, Singer und die Winchester-Familie lebte, war bestenfalls schwach. Und diese Leute lebten so.
Dieses Leben forderte seinen Preis.
Er blickte sich um und sah, dass seine beiden Zimmergenossen verschwunden waren. Am Bett des einen hing noch eine Krankenakte, also war er wahrscheinlich nur unterwegs zu ein paar Tests oder so.
Am anderen Bett hing keine Akte mehr – vielleicht war der Patient entlassen worden.
Auf dem einen oder anderen Weg, dachte er finster.
Er hörte ein Klopfen an der Tür.
„Hi, Professor!“
Er blickte auf und sah die Sekretärin, an deren Namen er sich immer noch nicht erinnern konnte. Trotzdem erinnerte er sich, dass sie diejenige gewesen war, die ihn gefunden und den Notruf gewählt hatte.
„Hey!“, antwortete er enthusiastisch.
Sie war eine unscheinbare, kleine japanische Amerikanerin, die das dunkle Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Sie trug ein sehr breites Lächeln auf dem Gesicht und einen grauen Trenchcoat.
Während sie an sein Bett kam, klammerte sie sich an ihrer Handtasche fest, als ginge es um ihr Leben.
„Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht, Professor“, sagte sie. „Ich hatte solche Angst, als ich Sie so zusammenbrechen sah.“
„Ja, das hatte ich auch“, gab Marcus mit kläglicher Stimme zu. „Aber hey, Sie waren diejenige, die 911 gewählt hat, also danke dafür!“
„Oh, selbstverständlich! Es wäre furchtbar gewesen, wenn Sie gestorben wären!“ Dann lehnte sie sich dicht an sein Ohr und flüsterte: „Herzanfälle sind so – so furchtbar, nicht wahr?“
Plötzlich änderte sich etwas an ihr. Ihr breites Lächeln offenbarte nun noch etwas anderes, aber er konnte nicht sagen, was es war. In diesem Moment erinnerte er sich mit einem Ruck an ihren Blick, kurz bevor er im Büro ohnmächtig geworden war.
Ihre Stimme hatte sich mit dem Ausdruck verändert.
„Dann sag mir lieber, was ich hören will.“
Das Lächeln verschwand und ihre Augen wurden vollkommen schwarz.
Marcus hatte geglaubt, es gäbe kein schlimmeres Gefühl, als einen Herzinfarkt. Doch als die Augen der Sekretärin plötzlich schwarz wurden, bekam er ein furchtbares Gefühl ganz tief im Magen.
„Du wirst mir helfen, Prof“, sagte sie mit einem rumpelnden Unterton in der Stimme. „Den Gerüchten zufolge bist du derjenige, mit dem man reden muss, wenn man etwas über den Geist von Yoshio Nakadai wissen will. Ich muss diesen Geist haben. Sieh mal, es herrscht Krieg und meine Seite hat ganz gut was abbekommen. Man hat mir gerade ordentlich in den Hintern getreten. Ich habe sechs meiner Freunde einen furchtbaren Tod sterben sehen und konnte ihnen nicht helfen. Ich bin verdammt noch mal sauer und habe keinen Bock mehr, mich zum Arsch zu machen. Ich will das Herz des Drachen zurück. Und das führt mich – ach so freundlich – zu dir.“ Nachdem sie diese Worte ausgespuckt hatte, kehrte das Lächeln zurück.
Marcus sagte nichts. Was immer dieses Wesen war, es war nicht auf der Seite der Guten.
Ihr Gesicht schwebte über ihm, die schwarzen Augen waren wie tiefe, hypnotische Teiche.
„Das Schwert, mit dem man dem Geist Einhalt gebieten kann – wo ist es?“, fuhr sie fort. „Ich brauche es und du wirst mir sagen, wo es ist.“
Marcus starrte die Kreatur an.
„Sorry, das kann ich nicht“, sagte er und versuchte die Angst in seiner Stimme zu verbergen.
Das Wesen knurrte. Ein Geräusch, das Angst einflößend und grauenvoll war, zumal es von so einer zarten Gestalt ausging.
„Oh, glaubst du?“
„Das hat nichts mit glauben zu tun“, sagte Marcus. „Ich weiß nicht, wo es ist, und ich weiß nicht, wie man es finden kann.“ Er nahm an, es sei bei Chao, aber selbst die Winchesters waren sich da nicht vollkommen sicher.
Mehrere lange Augenblicke starrten ihn die Obsidianaugen an. Es fühlte sich an, als
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