Das Herz des Südens
sehr würdig, machte Maman Konversation mit Grand-mère und Papa und erkundigte sich nach Josies Englischlektionen. Josie hatte das Gefühl, zum ersten Mal seit dem Nachmittag am Klavier wieder durchatmen zu können.
Auch den Unterricht in Handarbeiten nahm Maman wieder auf. Am Samstagmorgen, als keine anderen Lehrer zur Hand waren, sagte sie: »Josie, hol deinen Handarbeitskorb und setz dich zu mir in den Salon.«
Josie zögerte. Gerade hatte sie mit Cleo nach draußen gehen wollen, um Ellbogen-John zu suchen, der mit ihnen in die Sümpfe fahren sollte. Aber nach ihrem Sieg im Kampf um Cleo entschied sie, es sei besser, sich anzustrengen, um ihrer Mutter zu gefallen. So setzte sie sich ans Fenster und fädelte einen Faden ein.
Sie beschwerte sich nicht, behielt die Uhr aber ständig im Auge. Sie machte ein paar Stiche an dem Puppenkleid, das Maman für sie zugeschnitten hatte, und schon sah sie wieder nach, wie viele Minuten inzwischen vergangen sein mochten. Wenn die alte Standuhr nicht so laut getickt hätte, wäre Josie sicher gewesen, dass sie stehen geblieben war.
Nach einer Stunde taten Josie die Augen weh. »Hör auf zu schielen«, sagte Maman. »Wenn du dein Gesicht nicht ruhig hältst, wirst du früh Falten bekommen.«
Grand-mère hatte Falten. Grammy Tulia hatte Falten. Sie sahen beide so schön aus, so … echt. Aber Josie musste zugeben, dass ihre Mutter viel hübscher war als die beiden. Mamans Eltern waren beide aus Deutschland, und ihr Haar war goldblond, ihre Augen blau wie die Prachtwinden am Zaun. Deshalb war Josie nicht so dunkel wie ihr Papa und alle seine Neffen und Cousinen und Tanten und Onkel.
Mit ihren schwitzigen Händen konnte Josie die Nadel kaum halten, aber sie dachte ohnehin nicht mehr ans Nähen. Cleo war jetzt wahrscheinlich mit Ellbogen-John draußen im Sumpf beim Fischen. Oder vielleicht war sie irgendwo in den Unterkünften unterwegs und spielte mit Thibault. Was auch immer sie tun mochte, es machte sicherlich mehr Spaß als Nähen.
Als die Uhr endlich zehn Mal schlug, sagte Maman: »Nun lass mich sehen, was du geschafft hast.« Kopfschüttelnd blickte sie auf die Arbeit. »Josie, deine Stiche sind so unregelmäßig! Ich bin sicher, andere Neunjährige können das besser. Du gibst dir einfach keine Mühe.«
»Doch, Maman«, sagte Josie leise.
»Jetzt bekomme ich wieder Kopfschmerzen«, sagte Maman. »Lass mich allein.«
Sorgfältig verstaute Josie ihre Handarbeit in ihrem Korb, knickste vor ihrer Mutter und durchquerte langsam das Zimmer. Doch sobald sie außer Sichtweite war, rannte sie durchs Haus, ohne auf das Geklapper zu achten, das ihre Schuhe auf dem Holzboden verursachten.
Sie rannte zu Grammy Tulia. Wenn Cleo dort nicht war, konnte sie immer noch mit Thibault spielen. Er liebte es, wenn sie für ihn Bilder auf den Erdboden malte. Aber bei Tulia war niemand zu Hause. Josie ließ die Schultern sinken. Wo waren sie alle?
Die Blaubeeren waren reif. Josie griff nach einem Sirup-Eimer, der auf Grammys Veranda stand, und eilte die Gasse zwischen den Unterkünften hinunter zur Blaubeerstelle. Dort fand sie Cleo, Ellbogen-John, Grammy und Thibault, die in der Mittagshitze Blaubeeren pflückten.
»Sieh mal, wie viele wir schon gepflückt haben«, sagte Cleo. »Louella hat gesagt, wir könnten einen Kuchen backen, du und ich.«
»Raus aus der Sonne«, sagte Ellbogen-John. »Deine Maman lässt mich schlagen, wenn du wieder Sommersprossen kriegst, Mamsell.«
»Aber ich habe ja noch gar nichts gepflückt, ich bin doch gerade erst gekommen.«
Cleo nahm ihren Strohhut ab und setzte ihn Josie auf. Dann drehte sie sich zu Ellbogen-John um. »Können wir nicht noch ein bisschen bleiben?«
»Na, ich denke, ein paar Minuten werden nicht schaden.«
Thibault, der mit seinem kleinen Eimer herumlief, ging mit Josie, und sie zeigte ihm die Beeren, die unten in den Büschen hingen.
Mit vollen Eimern kehrten sie zurück. Josie und Cleo gingen zum Küchenhaus, um kaltes Wasser aus der Zisterne zu trinken. Louella hatte ihren Backofen bereits vorgeheizt. »Der Teig ist schon ausgerollt, ihr könnt die Beeren verlesen und mit Zucker und Zimt mischen. Dann machen wir einen Kuchen für Monsieur Emile.«
»Maman mag Blaubeerkuchen auch«, bemerkte Josie.
»Hmm«, machte Louella. »Vorsicht mit dem Zimt, Cleo, nimm nicht zu viel.«
Mit Louella in der Küche zu sein machte mehr Spaß als alles andere auf der Welt; selbst Fischen mit Ellbogen-John war weniger lustig. Josie maß den
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