Das Hexenkraut
danken«, erwiderte die Schwarzleiberin. »Ohne Euren Sohn wäre ich nicht hier.«
Jakob blieb einen Moment alleine bei seiner Mutter. Sie war noch immer blass und schwach, aber er glaubte fest an die heilende Wirkung der Tinktur. »Du wirst gesund«, sagte er nachdrücklich. »Das Blutkraut wird dich heilen.«
Seine Mutter nickte und lächelte schwach.
Als Jakob wieder in die Wohnstube kam, standen Marthe und ihre Mutter an der Tür. Sie hatten Hüte auf und ihre Bündel unter dem Arm.
»Wo wollt ihr hin?« Jakob sah sie entsetzt an.
»Wir müssen fort von hier, Jakob«, sagte die Schwarzleiberin. »Jede Sekunde, die wir hierbleiben, bringen wir nicht nur uns, sondern auch dich und deine Mutter in Gefahr.«
»Aber ihr könnt doch jetzt nicht einfach gehen! Es ist mitten in der Nacht, und außerdem … wo wollt ihr überhaupt hin?«
»Ins Höllengebirge«, antwortete Marthe. »Vielleicht leben wir einige Zeit wie der alte Apotheker, bis sich der Hexenwahn gelegt hat.«
»Vielleicht ziehen wir aber auch weiter, Richtung Norden«, sagte die Schwarzleiberin.
»Wir können nicht nach Harzenstein zurückkehren«, sagte Marthe.
Jakob wurde blass. »Niemals?«
Marthe schüttelte langsam den Kopf. Sie trat auf Jakob zu und umarmte ihn. Ganz lange. »Ich werde jeden Tag an dich denken«, flüsterte Marthe in sein Ohr.
Jakob nickte. Er bekam kein Wort heraus. Er wollte nicht, dass Marthe seine Tränen sah.
Marthe wandte sich zu ihrer Mutter.
»Danke, Jakob«, sagte die Schwarzleiberin leise. Dann öffnete sie die Tür und trat mit ihrer Tochter in die Nacht.
Bevor die Tür sich hinter ihnen schloss, drehte Marthe sich noch einmal um. »Pass auf, wenn du im Höllengebirge bist und dieses Geräusch hörst«, sagte sie und stieß einen Tierlaut aus.
Jakob sah sie mit großen Augen an. »Die Rehgeiß! Das warst du?«
Marthe lächelte und nickte. Sie hob die Hand und winkte Jakob ein letztes Mal. Ihre feuchten, grünblauen Augen schimmerten in der Dunkelheit.
Jakob trat ans Fenster und sah in die Nacht. Er wusste, dass Marthe seine Freundin bleiben würde. Für immer. Wo sie auch war.
Informationen zum Buch
Harzenstein, um 1625:Jakobs Mutter ist todkrank. In seiner Verzweiflung wendet sich Jakob an die heilkundige Schwarzleiberin. Die weiß Rat: Das Blutkraut kann helfen. Doch das geheimnisvolle Hexenkraut wächst nur in der Todesschlucht. Und der Weg dorthin ist gefährlich …
Informationen zur Autorin
Franziska Gehm
wurde 1974 in Sondershausen geboren. Nach ihrem Studium in Deutschland, England und Dänemark arbeitete sie bei einem Wiener Radiosender, an einem Gymnasium in Dänemark und bei einem Kinderbuchverlag. Heute lebt sie als Autorin und Übersetzerin mit ihrer Familie in München. Sie hat mittlerweile zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Eines ihrer Jugendbücher war 2009 für den Hansjörg-Martin-Preis nominiert.
Peter Knorr
wurde 1956 in München geboren und lebt heute als freischaffender Illustrator mit seiner Familie in Nierstein am Rhein.Er hat viele Bilderbücher gezeichnet, noch mehr Bücher ausgestattet und zusammen mit seiner Frau Doro Göbel auch eigene Buchprojekte verwirklicht.
Doro Göbel
, geboren 1958, studierte Kunsterziehung in Mainz und arbeitet seit 1986 als freischaffende Künstlerin und Illustratorin. Sie ist mit Peter Knorr verheiratet. Das Paar hat schon mehrere Bände der Reihe Tigerauge ausgestattet.
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