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Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Eine gefährliche Bitte

    Jakob hatte fast die ganze Nacht wach gelegen. Er hatte auf den flachen, unregelmäßigen Atem seiner Mutter gehört. Seit nunmehr zwei Wochen hatte sie das Bett nicht mehr verlassen. Sie war blass, die Wangen waren eingefallen. Ihre einst glänzenden, braunen Haare waren strähnig und klebten an ihrer Stirn. Die immer freundlichen, großen, dunkelbraunen Augen, die Jakob von ihr geerbt hatte, wirkten matt und müde. Meistens jedoch hielt Jakobs Mutter die Augen geschlossen. Seit ein paar Tagen war sie sogar zu schwach, um alleine den Kopf zu heben.
    »Jakob?«, drang eine leise Stimme durch die Kammer, die noch im Halbdunkel der Morgendämmerung lag.
    Sofort war Jakob auf den Beinen. Mit zwei großen Schritten war er bei der Bettstatt seiner Mutter. Er kniete sich hin und nahm ihre Hand. Sie war kalt und kraftlos. »Was ist?«
    »Geh   –«, Jakobs Mutter atmete schwer, »geh zur Schwarzleiberin.«
    Jakob sah seine Mutter verstört an.
    Sie schloss einen Moment die Augen. »Geh zu ihr. Sie allein kann uns jetzt noch helfen. Meine Kräfte verlassen mich. Wir haben sonst keine Hoffnung mehr.«
    Jakob zog die Augenbrauen zusammen. »Aber die Schwarzleiberin   … sie bringt Unheil.«
    »Mag sein«, sagte Jakobs Mutter. »Sie hat jedoch auch vielen Kindern auf die Welt geholfen und versteht sich auf Kräuter und Tinkturen. Geh zu ihr, Jakob. Sonst bin ich gewiss des Todes.«
    Jakob legte seine Wange auf die Hand seiner Mutter. Einen Moment verharrte er so. Dann stand er auf und nickte. »Ist gut, Mutter. Ich hole die Schwarzleiberin.«
    Jakobs Mutter lächelte kaum merklich.
    Niemals würde Jakob ihr eine Bitte ausschlagen. Auch wenn sie ihm noch so abwegig vorkam. Er zog sich das Wams über und verließ die Hütte. Obwohl der Mai sich schon dem Ende zuneigte, war es noch kühl. Die Bauern in den umliegenden Dörfern fürchteten, dass es auch dieses Jahr keine gute Ernte geben würde. Bereits in den letzten Jahren waren die Winter lang und die Sommer so nasskalt gewesen, dass das Getreide auf den Halmen verfaulte. Jakobfasste sich an den Bauch. Sein Magen knurrte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal richtig satt gewesen war. Seit Monaten gab es nur noch Brei aus Hirse, Hafer oder Buchweizen.
    Zielstrebig lief Jakob durch die Gassen seiner kleinen Heimatstadt Harzenstein. Die Schwarzleiberin wohnte am Rand der Stadt. Hinter ihrer Hütte hatte sie einen kleinen Kräutergarten. Daran schloss direkt ein dichter Tannenwald an. Kurz bevor er die Hütte der Schwarzleiberin erreichte, verlangsamte er seine Schritte. Er kniff die Augen zusammen und musterte die Hütte argwöhnisch. Über die Schwarzleiberin hatte er schon viel gehört. Nicht nur Gutes.
    Plötzlich flog neben ihm eine Tür auf. Die Frau des Schuhmachers trat mit einem Nachttopf in der Hand hinaus. »Jakob! Wo willst du denn so früh hin?« Die Schuhmacherin leerte den Nachttopf schwungvoll am Gassenrand aus, bevor sie sich ihre Haube zurechtrückte.
    Jakob zögerte. Am liebsten wäre ihm, dass niemand erfuhr, zu wem er gerade unterwegs war. Er kratzte sich hinter dem Ohr und dachte angestrengt nach, was er der Schuhmacherin antworten sollte. Er sah die Gasse entlang, zum Himmel hinauf, zum Haus der Schwarzleiberin und auf seine abgewetztenFüßlinge. Aus dem linken ragte seine schmutzige große Zehe heraus.
    Die Schuhmacherin beobachtete ihn genau. »Willst du etwa zu der?« Sie zeigte auf das Haus der Schwarzleiberin.
    Jakob nickte. Er war kein guter Lügner. »Meine Mutter liegt im Sterben.«
    »Das tut mir leid.« Die Schuhmacherin strich Jakob über das zerzauste Haar. »Möge Gott ihr beistehen.« Dann richtete sie den Blick auf die Hütte der Schwarzleiberin. »Aber die wird dir nicht helfen. Im Gegenteil. Mag sein, dass die Schwarzleiberin besondere Kräfte hat. Aber ich sage dir, Jakob, es sind böse Kräfte. Die Schwarzleiberin wendet Unheil nicht ab, sie bringt es.«
    Jakob sah die Schuhmacherin mit großen Augen an. »Wieso sagen Sie so etwas? Hat die Schwarzleiberin nicht bei der Geburt Ihrer Kinder geholfen?«
    Die Schuhmacherin sah Jakob fest in die Augen. »Ja. Das hat sie. Aber von meinen sechs Kindern sind vier wenige Tage nach der Geburt gestorben.«
    Jakob blickte zu Boden.
    »Ich weiß, wie sehr du dir wünschst, deine Mutter möge gesund werden. Und ich weiß, dass dieSchwarzleiberin so manchen Todkranken kuriert haben soll.« Die Schuhmacherin beugte sie sich zu ihm und flüsterte: »Aber

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