Das Jahr der Maus

sagte der Anzug. »Wir könnten dem Dalai Lama kostenlose Sendezeit zur Verfügung stellen. Wir könnten Clips vom Massaker auf dem Tien-An-Men-Platz mit Musik von Nine Inch Nails senden. Wir könnten eure Bevölkerung mit Wiederholungen alter Charlie-Chan-Filme überziehen. Und wenn das alles nicht funktionieren würde, gäbe es immer noch die ultimative Waffe …«
    »Die … ultimative Waffe …?«
    »Wir senden die ersten zwanzig Minuten vom Langen Marsch unverschlüsselt, verschlüsseln den Rest, zwingen jedermann in China, teure Decoder zu kaufen, um den ganzen Film sehen zu können, und blamieren damit die Kommunistische Partei.«
    Das Krokodilgrinsen kehrte zurück.
    »Glauben Sie wirklich, irgendeine Regierung könnte danach noch das Mandat des Himmels behalten?«
    »Leg dich nicht mit der Maus an …«, seufzte Xian Bai.
    »Absolut keine gute Idee«, pflichtete ihm der Anzug bei. »Andererseits könnte ich Ihnen für – sagen wir – fünf Prozent der Bruttoeinnahmen helfen, einen ordentlichen Reibach zu machen. Wie der Panda Mao schon sagt: Eine Hand wäscht die andere.«
    Nun, das chinesische Volk hatte nicht mehrere Jahrtausende turbulenter Geschichte überstanden, ohne der geheiligten Frage, was unterm Strich bei etwas heraussprang, die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Man hätte sogar mit Fug und Recht die Ansicht vertreten können, diese pragmatische Orientierung aufs Endresultat sei wie fast alles andere auch eine chinesische Erfindung gewesen. Besonders wenn reicher Gewinn damit zu machen war, daß man sich selbst von der Richtigkeit dieser Theorie überzeugte.
    Und jenen Pagoden-Filialen, denen es schwerfiel, das zu schlucken, lieferte Das kleine rote Buch des Pandas Mao für die dreißig Prozent der Maus an den Bruttoeinnahmen nicht nur Standardrezepte und Buchhaltungsverfahren, sondern obendrein auch noch eine ideologische Begründung.
    Fast food war immerhin eine chinesische Erfindung. Dim Sum, Wantan-Suppe, Nudeln und pfannengerührtes Gemüse mit ein bißchen Fleisch waren schneller herzustellen, leckerer, ökologisch vertretbarer und weitaus nahrhafter als Hamburger, Pizzas und schmierige Brathähnchenteile.
    Und da die Zutaten viel billiger waren, war auch die Profitrate höher.
    Heute China und morgen die Welt, versprach der große Vorsitzende Panda Mao.
    Und was machte es schon, wenn Das kleine rote Buch des Pandas Mao den Sinnspruch von Konfuzius, Lao Tse oder Buddha persönlich übernommen hatte, wenn die Worte des großen Vorsitzenden Pandas Mao so wahr klangen?
    Der Kluge tut Gutes und hat damit Erfolg.
    Es reichte, um Xian Bai bei seinen häufigen Gängen zur Bank in einem fort lächeln zu lassen.
     
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    Originaltitel: ›THE YEAR OF THE MOUSE‹ • Copyright © 1998 by Norman Spinrad • Erstmals erschienen in ›Asimov’s Science Fiction‹, April 1998 • Mit freundlicher Genehmigung des Autors • Copyright © 2000 der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München • Übersetzt von Peter Robert
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