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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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»Der Computer hat gelogen – ich bin ein Scharlatan. Das Amt kann meinetwegen mit seinen Eichgewichten spielen!«
    Sie drehte sich nicht um, sie warf keinen Blick zurück.
    »Diese Frau ist zu selbstbewußt«, murmelte Chaney vor sich hin.

2
     
    Nationale Forschungsstation
    Joliet, Illinois
    12. Juni 1978
     
    Ein Haar vielleicht trennt Wahrheit nur und Lug,
    Alif allein, er öffnet dir die Tür
    Dahinter Schätze warten – und Betrug
    Dem Meister stets Begleiter ist wie dir!
    Omar Khayyam
     
    Der Militärpolizist, der ihn vom Tor aus eskortiert hatte, öffnete eine Tür und sagte: »Ihr Besprechungsraum, Sir.«
    Brian Chaney nickte dankend und trat über die Schwelle.
    Er sah sich der jungen Frau gegenüber, die ihn kritisch betrachtete. Die beiden Männer in dem Raum spielten Karten. Ein riesiger Tisch mit Stahlbeinen stand unter hellen Leuchtstoffröhren. Vor der Frau lagen drei dicke braune Umschläge auf der Tischplatte, während die Männer am anderen Ende spielten. Kathryn van Hise hatte die Tür beobachtet, weil sie ihn erwartete, aber die Spieler sahen erst jetzt von ihren Karten auf.
    »Ich heiße Chaney«, erklärte er ihnen. »Ich bin …«
    Das schmerzhafte Geräusch unterbrach ihn.
    Chaney hatte den Eindruck, als sei ein starkes Gummiband gegen sein Trommelfell geschnellt. Dann schien ein Vorschlaghammer in eine komprimierte Luftmasse zu schlagen. Dem Aufprallgeräusch folgte ein zögerndes Seufzen, als bewege sich der Hammer in Zeitlupe durch eine ölige Flüssigkeit zurück. Der Laut schmerzte. Die Lampen brannten merklich dunkler.
    Die drei Leute in dem Besprechungsraum starrten etwas an, was sich hinter und über Chaney befand.
    Er drehte sich um, sah jedoch nur eine elektrische Uhr über der Tür. Die drei beobachteten den roten Sekundenzeiger. Chaney wollte etwas fragen, aber die junge Frau brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Sie und die beiden Männer konzentrierten sich auf die Uhr.
    Der Neuankömmling wartete.
    Er sah nichts, was dieses Geräusch hätte erzeugen können, was ihre gespannte Aufmerksamkeit erklärt hätte; er sah nur einen spärlich möblierten Raum und vier Menschen. An den Wänden hingen keine Karten – das war etwas ungewöhnlich; auf einem Tischchen an der Tür standen drei verschiedenfarbige Telefone – auch das war etwas ungewöhnlich. Ansonsten war dies nur ein fensterloser, bewachter Besprechungsraum in einem ebenso gutbewachten Militärbezirk, der von Chicago aus mit einem Panzerzug in fünfundvierzig Minuten zu erreichen war.
    Chaney hatte das zwölf Quadratkilometer große Sperrgebiet durch ein doppelt gesichertes Tor betreten und war mit militärischer Gründlichkeit untersucht und identifiziert worden. Danach hatte er einen Militärpolizisten als Führer mitbekommen, der ihn ohne weitere Erklärungen in diesen Besprechungsraum gebracht hatte. Die massiven Stahltüren des offenbar erdbebensicheren Gebäudes erregten Chaneys Neugier, weil die anderen weitverstreuten Bauwerke nicht so massiv konstruiert zu sein schienen. Er vermutete, hier sei früher eine Munitionsfabrik gewesen – aber die Männer und Frauen, die sich jetzt auf dem Gelände bewegten, ließen auf einen harmlosen Verwendungszweck der Gebäude schließen. Wozu sie dienten, war nicht zu erkennen, und Chaney fragte sich, ob das Personal der Forschungsstation von der Existenz des ZVF wußte.
    Der jüngere der beiden Männer zeigte plötzlich auf die Uhr. »Halten Sie sich fest, Mister!«
    Chaney warf einen Blick auf die Uhr, bevor er sich erneut dem Mann zuwandte. Er schien etwa dreißig zu sein – nur wenige Jahre jünger als Chaney selbst – und war ebenso groß und muskulös. Sein sonnengebräuntes Gesicht, das helle Haar und die klaren Augen erinnerten Chaney unwillkürlich an einen Seefahrer. Er trug ein offenes Sporthemd und eine leichte Sommerhose. Jetzt ließ er den Finger sinken, mit dem er auf die Uhr gezeigt hatte.
    Das zögernde Seufzen, mit dem der Hammer sich durch eine ölige Flüssigkeit bewegte, erfüllte den Raum. Chaney hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Dann schlug der Hammer wieder in eine kompakte Luftmasse, und das Gummiband schien gegen Chaneys Trommelfell zu schnellen. Danach herrschte Stille.
    »Wieder einmal!« sagte der jüngere Mann. »Die guten, alten einundsechzig.« Er sah zu Chaney hinüber. »Einundsechzig Sekunden, Mister.«
    »Ist das gut?«
    »Besser geht’s nicht.«
    »Prima. Was bedeutet das?«
    »Tests. Ein Test nach dem anderen.

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