Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Eins
Im Schutz der Dunkelheit nahmen sie das Haus in Besitz.
Eine andere Familie hätte in der Situation einen Neubeginn gesehen. Den Start in ein neues Leben in einer neuen Stadt. Den Anbruch eines neuen Tages, des ersten in einem neuen Lebensabschnitt. Kurzum, etwas Außergewöhnliches – nichts, was man in rabenschwarzer Nacht vollbrachte.
Die Blakes jedoch zogen ein, wie manch anderer auszieht, wenn er sich vor dem Zahlen der Miete drücken will: bloß keine Aufmerksamkeit erregen. Maggie, die Mutter, ging voran; auf den Stufen zum Eingang klapperte sie leicht mit den Absätzen, um Ratten, falls vorhanden, in die Flucht zu schlagen. Sie ging durch alle Räume des Hauses, einschließlich des Kellers, und befand, dass er genau die richtige Luftfeuchtigkeit hatte, um Kisten mit Chianti zu lagern und dicke Parmesanlaibe reifen zu lassen. Außerdem war er sauber. Frederick, der Vater, dessen Verhältnis zu Nagetieren noch nie entspannt gewesen war, ließ seiner Frau gern den Vortritt. Er schlich mit einer Taschenlampe in der Hand ums Haus herum und landete auf einer Veranda, die mit verrosteten Gartenmöbeln vollgestellt war. Zudem gab es eine verzogene Tischtennisplatte und diverse Gegenstände, die er trotz Taschenlampe nicht identifizieren konnte.
Die Tochter, sie war siebzehn und hieß Belle, stieg die Treppe hoch und steuerte geradewegs auf das Zimmer zu, das ihres werden sollte. Ein quadratischer Raum, der nach Süden ging und den Blick freigab auf einen Ahornbaum und ein Beet mit weißen Nelken, die erstaunlicherweise blühten und leuchteten wie ein nächtliches Sternenbild. Den Kopfteil des Bettes drehte sie Richtung Norden, stellte das Nachtschränkchen um und betrachtete die leeren Wände. Bald würden hier die Plakate hängen, die sie all die Jahre durch so viele Länder begleitet hatten. Von nun an schlief sie hier, machte hier ihre Hausaufgaben. Hier würde sie vor dem Spiegel an ihrer Körperhaltung feilen und an ihrer Art zu gehen, hier würde sie träumen, lachen, schmollen und manchmal auch weinen – eben das, was ein typischer Teenager den ganzen Tag so tat. Warren, ihr drei Jahre jüngerer Bruder, nahm das Zimmer daneben in Beschlag, allerdings ohne allzu große Neugier. Ihm lag wenig an einem wohlproportionierten Grundriss oder einem schönen Blick aus dem Fenster. Ihn interessierten nur die Anzahl der Steckdosen und der Internetanschluss. Er war nämlich ein Computerfreak, der hoffte, in weniger als sieben Tagen das französische Landleben und vielleicht auch ganz Europa vergessen zu können, da ihn das Internet problemlos auf die andere Seite des Atlantiks katapultieren konnte – dahin, wo er herkam und hingehörte.
Das Einfamilienhaus, erbaut im Jahr 1900 aus normannischem Stein und Ziegel, wurde von einem schachbrettartigen Fries und blauen, holzgeschnitzten Blumengirlanden unterhalb des Dachgiebels geschmückt, gekrönt von einer Art Minarett. Wenn man dann noch die schmiedeeisernen Verzierungen am Eingangstor bestaunte, bekam man Lust, dieses Gebäude, das aus der Ferne wie ein kleiner barocker Pavillon aussah, zu besuchen. Die Blakes aber taten gut daran, zu nachtschlafender Zeit die Ästhetik Ästhetik sein zu lassen und sich nur für die Wohnlichkeit der neuen Behausung zu interessieren. Sie hatte zwar Charme, war aber schon arg in die Jahre gekommen und vermochte nie und nimmer ihr ultramodernes Domizil in Newark, New Jersey, zu ersetzen, das sie einst bewohnt hatten.
Alle vier trafen sich im Salon wieder, wo sie, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, die Klubsessel, das Kanapee, den Beistelltisch und diverse kleine Möbelstücke von den Tüchern befreiten, die man zum Schutz vor Staub darübergeworfen hatte. Der Kamin aus rotem und schwarzem Ziegelstein war groß genug, um ein Schaf darin zu braten. Ein Wappen in der Kaminwand zeigte zwei Edelleute, die gerade ein Wildschwein niederrangen. Den Krimskrams und Firlefanz, der als Dekoration den Querbalken über der Feuerstelle zierte, beförderte Fred auf direktem Weg in den Kamin. Sachen, die seiner Meinung zu nichts taugten, zerstörte er gern auf der Stelle.
»Diese Idioten haben wieder den Fernseher vergessen«, sagte Warren.
»Morgen kommt er. Das haben sie gesagt«, sagte die Mutter.
»Wirklich morgen oder morgen wie letztes Mal?« Frederick war genauso besorgt wie sein Sohn.
»Jetzt hört mal zu. Macht mich bitte nicht dafür verantwortlich, wenn jedes Mal im Haus irgendetwas fehlt. Wendet euch direkt an sie .«
»Der
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