Das Jahr der stillen Sonne
Seabrooke wäre es lieber, wenn Sie das Buch nicht veröffentlicht hätten – aber er glaubt, daß Sie in Vergessenheit geraten sein werden, bis Sie wieder auftauchen.«
»Ich gehe nicht in den Untergrund!«
»Sir?«
»Richten Sie Mr. Seabrooke aus, daß ich nicht interessiert bin. Ich komme sehr gut ohne ihn und sein Amt zurecht. Ich habe einen Job.«
»Ja, Sir. Im Rahmen des neuen Projekts.«
»Nein, Sir, bei der Indiana Corporation. Sie heißt allgemein nur Indic und ist eine Denkfabrik. Ich bin ein Genie – weiß Ihr Computer das, Miss van Hise? Indic hat ungefähr hundert Genies, die herumsitzen und Probleme für Dummköpfe lösen. Davon kann man auch leben.«
»Ich kenne die Indiana Corporation.«
»Das sollten Sie auch. Wir haben vor drei Jahren eine Untersuchung für Sie durchgeführt, die Ihnen Angst eingejagt hat – und dann haben wir eine Rechnung vorgelegt, die Ihr Budget durcheinandergebracht hat. Wir haben schon für das Außenministerium, für das Landwirtschaftsministerium und das Pentagon gearbeitet. Ich hasse es, für das Pentagon zu arbeiten. Diese Leute denken so eingleisig. Ich wollte, sie ließen sich endlich einen anderen Gegner als die Chinesen einfallen.« Er sah wieder aufs Meer hinaus. »Ich habe einen Job, der mir ganz gut gefällt. Suchen Sie sich einen anderen Demographen, Miss van Hise.«
»Nein, Sir. Indic hat Sie dem Amt zugeteilt.«
Chaney sprang auf. Er sah auf die zierliche Frau hinab. »Ausgeschlossen!« protestierte er.
»Doch, Mr. Chaney.«
»Das können sie nicht ohne meine Einwilligung.«
»Tut mir leid, aber sie haben es trotzdem getan.«
»Das können sie nicht. Ich habe einen Vertrag!«
»Das Amt hat Ihren Vertrag gekauft, Sir.«
Chaney war sprachlos. Er starrte die Frau verwirrt an.
Sie nahm einen zusammengefalteten Brief aus dem Buch und gab ihn Chaney. Die Mitteilung unter dem offiziellen Briefkopf der Indiana Corporation war kurz und knapp: Chaney wurde davon in Kenntnis gesetzt, daß das Amt für Normung seinen Arbeitsvertrag für die restliche Laufzeit übernommen hatte. Indic wollte ihm dafür die Hälfte der vereinbarten Entschädigung abtreten. Der Brief schloß mit besten Wünschen für Chaneys weitere Zukunft.
Die wartende Frau verstand das einzelne aramäische Wort nicht, das Chaney wütend hervorstieß. Er drehte sich wieder nach ihr um. »Hier fährt nachmittags nur ein Bus«, erklärte er Kathryn van Hise. »Beeilen Sie sich, sonst verpassen Sie ihn noch!«
»Ich habe Ihnen weitere Anweisungen zu geben, Mr. Chaney«, antwortete sie gelassen.
»Warum?« fragte er erbittert.
»Das spezielle Projekt braucht Ihre speziellen Fähigkeiten.«
»Warum?«
»Um die Zukunft zu erforschen und aufzuzeichnen; Sie sind Futurologe.«
»Ich brauche mich nicht an diesen Vertrag zu halten. Ich kann ihn brechen, ich kann mein Land verraten und für die Chinesen arbeiten. Was tut das Pentagon dann?«
»Ihr Computerprofil hat gezeigt, daß Sie den Vertrag erfüllen werden, Sir. Es hat auch Ihren gegenwärtigen Unwillen erkennen lassen. Das Pentagon weiß nichts von diesem Projekt.«
»Unwillen!« schnaubte Chaney. »Warum fahren Sie nicht einfach nach Hause? Bestellen Sie Seabrooke, daß ich mich geweigert habe. Daß ich rebelliert habe.«
»Sobald ich fertig bin, Sir.«
»Dann machen Sie endlich weiter, verdammt noch mal!«
»Ja, Sir.« Sie kam noch etwas näher, um nicht lauter sprechen und den Möwen strenggeheime Informationen verraten zu müssen. »Die erste Phase der Operation hat vor drei Jahren mit dem von Indic abgelieferten Bericht begonnen und während Ihres Studienaufenthalts in Israel angedauert. Als Verfasser dieses Berichts gehörten Sie automatisch zu den Kandidaten für die nächste Phase: die Anwendung in der Praxis. Das Amt will jetzt praktische Versuche machen und hat dafür ein Spezialistenteam zusammengestellt. Sie gehören zu diesem Team und werden an dem Abschlußbericht mitarbeiten. Mr. Seabrooke will ihn dem Weißen Haus vorlegen; er rechnet mit Ihrer begeisterten Unterstützung.«
»Oh? Seabrooke schanghait mich und erwartet begeisterte Unterstützung. Worin besteht die praktische Anwendung?«
»In einer Untersuchung der Zukunft.«
»Das haben wir bereits getan. Lesen Sie den Indic-Bericht.«
»Eine praktische Untersuchung der Zukunft.«
Brian Chaney grinste amüsiert und wandte sich ab, um eine Segeljacht am Horizont zu beobachten. »Irgendein verrücktes Genie hat wohl endlich einen Tachyonen-Generator erfunden, was?
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