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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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leid«, sagte ich leise. Kamen jetzt alle Emotionen zurück, die mir mein Großvater und meine ganze Familie ausgetrieben hatten? Ich versuchte, Tränen oder etwas Ähnliches aus meinen Augen tropfen zu lassen. Ich presste die Arme gegen meine Brust und die Augen zusammen. Es ging nicht.
    Ich sollte nicht zu Scotty zurückkehren, sondern weit weggehen, ein anderes Leben beginnen. In einem Bergwerk arbeiten, bis ich ausgemergelt sterben würde.

3
    »Du musst nicht zurückkehren.«
    Meine Mutter drückte mir den Einkaufszettel in die Hand. Ich bekam die geflochtene Tasche über die Schulter gehängt. Dann rollte sie Geldscheine zusammen und gab sie mir.
    »Hör genau zu.« Sie hielt mich am Arm fest. Es tat weh.
    »Es ist mehr Geld, als du brauchst. Viel mehr. Wenn du meinst, dass es genug ist, dann geh. Hast du verstanden? Du hast die Wahl, dieses Haus zu verlassen, in eine bessere Welt hinauszugehen oder mit den Einkäufen zurückzukehren.«
    Ich nickte, ging hinaus und zählte das Geld.
    Ich war etwa acht Jahre alt. Es war das zweite Mal, dass meine Mutter mich fortschicken wollte. Für immer. Es überraschte mich nicht. Ich gehörte nicht richtig zur Familie. Ich war noch wie zu Besuch. Mein Großvater hatte mich erst vor einem Jahr zurückgebracht.
    Mein Vater hatte nichts zu sagen. Er sprach auch kaum mit mir. Es war mein Großvater, der über mich bestimmte. Immer.
    Am ersten Schultag wurden im Klassenraum die Namen der neuen Schüler aufgerufen.
    »Gordon Paulson«, rief die blonde Lehrerin. In meiner Erinnerung sieht sie aus wie Marilyn Monroe. Niemand antwortete. Die Lehrerin hob den Kopf und suchte zwischen den bunten Schultüten nach dem passenden Kind. Ich hatte auf den Namen Godin gewartet und rührte mich nicht. Meine Mutter, die hinter mir saß, stieß mich an und zischte: »Das bist du.«
    Ich stand auf. »Hier.«
    »Na, Gordon, du hast wohl noch geschlafen?«
    Alle lachten. Es war der Beginn einer Kette von Ablehnungen. Frauen, die aussehen wie Marilyn Monroe, lehnen mich bis heute ab. Und alle folgenden Lehrer verurteilten mich zum Träumer und Schläfer. Sie hatten recht, ich war immer nur zur Hälfte in ihrem Leben, die andere Hälfte war, gemessen an meinen Mitschülern, eine Sonderform der Bewusstlosigkeit. Ich folgte allem, konnte mich aber nicht engagieren.
    Am ersten Schultag hatte ich die größten Demütigungen, Folterungen und Bestrafungen durch meinen Großvater, meinen Erzieher, schon hinter mir. Auch die Missachtungen meines Vaters, der meinen Bruder Martin vorzog, ihm von den Ahnen der Familie Godin erzählte, den Abenteuern der Vorfahren, und mich dabei ignorierte. Auch für ihn gehörte ich nicht dazu.
    »Du trägst meinen Namen«, hatte meine Mutter gesagt. »Das ist ein Vorteil und ein Nachteil und ein Ausweg. Also alles zugleich. Also gut.«
    Für mich bedeutete es, nicht wie alle anderen zu sein, nicht dazuzugehören, keinen festen Platz zu haben. Mit sechs Jahren ist die Welt noch unendlich, ein Chaos. Mein Bestreben, so wie die Godins zu sein, vergrößerte sich. Ich wollte Ordnung und Struktur in meinem Leben. Ich kannte keinen, der Paulson hieß. Wenn es der Mädchenname meiner Mutter war, wo waren dann ihr Vater, ihre Mutter? »Alle tot«, sagte sie. Sie lachte dabei, hob die rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, machte das Geräusch eines Schusses und blies den Rauch vom Zeigefingerlauf. Mehr wollte sie nie erzählen.
    In der Schule schrieb ich auf meine Aufgabenzettel oft den Namen Gordon Godin. Mein Onkel Frederik Godin war damals sehr berühmt. Ich wollte mit ihm angeben. Immer einmal waren Fotos von ihm in den Zeitungen, auf denen er vor seinen Autos und Motorrädern stand, weil er damit durch Feuer oder über eine Reihe Autos gesprungen war. Mein Großvater schimpfte auf seinen Sohn Frederik, weil der nicht tat, was die Familientradition vorschrieb, was immer das sein sollte. Aber mit meinem Vater war er auch nicht zufrieden. Wenn mein Großvater zu uns kam, betrank sich mein Vater.
    Ich glaube, es war ziemlich viel Geld, das mir meine Mutter mitgegeben hatte. Aber wo sollte ich hin? Ich hätte gern die Frau an der Kasse des Lebensmittelmarktes gefragt, ob ich bei ihr bleiben könnte. Sie hatte eine große Nase. Das flößte mir Vertrauen ein. Ich wagte es nicht.
    Ich ging mit meinen Einkäufen zurück. Es war niemand in der Küche. Ich packte die schwere Tasche aus, legte alles auf den Tisch. Das übrig gebliebene Geld ebenfalls. In diesem Moment kam mein Vater

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