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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zugeknöpft, obwohl es wie immer glühend heiß war. Wenn ein Mann in solcher Hitze sein Jackett zugeknöpft lässt, kann das gewöhnlich nur eins bedeuten. Nachdem ich ihnen die Situation erklärt hatte, fluchte Golomb auf Russisch, und um gut Wetter zu machen – diese Männer waren schließlich Terroristen –, deutete ich auf die Bar und erbot mich, ihnen einen Drink zu spendieren.
    «In Ordnung», sagte Polkes, der gut Deutsch sprach. «Aber nicht hier. Gehen wir woanders hin. Ich habe einen Wagen draußen.»
    Beinahe hätte ich abgelehnt. Mit ihnen an der Hotelbar etwas zu trinken, war unproblematisch. Aber mit Männern, deren Art, ihre Anzüge zu tragen, mir sagte, dass sie bewaffnet und vermutlich gefährlich waren, in einen Wagen zu steigen, schien mir schon zweifelhafter. Als Polkes mein Zögern bemerkte, sagte er: «Keine Bange, mein Freund. Wir kämpfen gegen die Briten, nicht gegen die Deutschen.»
    Wir gingen nach draußen und stiegen in einen zweifarbigen Riley Saloon. Golomb fuhr so langsam wie jemand, der keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Wir fuhren nach Nordosten, durch eine deutsche Kolonie aus hübschen, weißen Villen, bekannt unter dem Namen Klein-Walhalla, dann nach links über die Bahn auf die Hashachar Herzl und wieder links auf die Lilienblumstraße, wo wir vor einer Bar neben einem Kino hielten. Wir seien, erklärte Polkes, mitten in der Gartenvorstadt von Tel Aviv. Es roch nach Orangenblüten und Meer. Alles wirkte hier sauberer und ordentlicher als in Jaffa. Europäischer jedenfalls. Ich sprach es an.
    «Natürlich fühlen Sie sich hier zu Hause», sagte Polkes. «Hier wohnen nur Juden. Wenn es nach den Arabern ginge, wäre dieses ganze Land nicht viel mehr als ein Pinkelplatz.»
    Wir gingen in ein Café mit einer Glasfront, auf der eine hebräische Beschriftung prangte. Es war das Café Kapulski. Aus dem Radio kam das, was ich als jüdische Musik bezeichnet hätte. Eine zwergenhafte Frau wischte den schwarz-weiß gefliesten Boden. An der Wand hing ein Bild von einem alten Mann mit einer wilden Haarmähne und offenem Hemdkragen. Er sah aus wie Einstein, nur ohne die Rotzbremse. Ich hatte keine Ahnung, wer das war. Daneben hing ein Bild von jemandem, der Ähnlichkeit mit Marx hatte. Dass es Theodor Herzl war, erkannte ich nur, weil Eichmann ein Foto von ihm in seiner sogenannten Judenakte gehabt hatte. Der Blick des Barmanns folgte uns, als wir durch einen Perlenvorhang in einen stickigen Nebenraum gingen, der voller Bierkästen und aufgestapelter Stühle stand. Polkes nahm drei Stühle herunter und platzierte sie auf dem Boden. Golomb nahm unterdessen drei Flaschen Bier aus einem Kasten, öffnete sie mit dem Daumen und stellte sie auf den Tisch.
    «Hübscher Trick», bemerkte ich.
    «Sie sollten ihn mal eine Dose Pfirsiche aufmachen sehen», sagte Polkes.
    Es war heiß. Ich zog das Jackett aus und krempelte die Ärmel hoch. Die beiden Juden hielten sich immer noch geschlossen. Ich deutete mit dem Kinn auf die Beulen unter ihren Achseln. «Ist schon gut», sagte ich zu Polkes. «Ich habe schon mal eine Pistole gesehen. Ich kriege nicht gleich Albträume, wenn ich Ihre sehe.»
    Polkes übersetzte das ins Hebräische, und Golomb nickte grinsend. Seine Zähne waren groß und gelb. Er legte das Jackett ab. Polkes tat es ihm nach. Sie trugen jeder einen britischen Webley, so groß wie ein Hundebein. Wir zündeten uns Zigaretten an, kosteten unser warmes Bier und musterten einander. Schließlich sagte Polkes: «Eliahu Golomb ist in der Haganah-Führung. Er ist für die radikale Judenpolitik Ihres Staates, weil die Haganah der Überzeugung ist, dass das nur eine Stärkung der jüdischen Bevölkerung Palästinas bedeutet. Mit der Zeit wird es hier mehr Juden als Araber geben, und dann können wir das Land übernehmen.»
    Ich habe warmes Bier immer schon gehasst. Und ich hasse es, aus der Flasche zu trinken. Es macht mich rasend, Bier aus der Flasche trinken zu müssen. Lieber trinke ich gar keins.
    «Damit eins gleich klar ist», sagte ich. «Es ist nicht mein Staat. Ich hasse die Nazis, und wenn Sie einen Funken Verstand hätten, würden Sie sie auch hassen. Die Nazis sind eine verdammte Horde von Lügnern, und man kann ihnen kein Wort glauben. Sie beide glauben an Ihre Sache. Gut. Aber in Deutschland gibt es nicht viel, an das es sich zu glauben lohnte. Außer vielleicht, dass ein Bier immer kalt sein und eine anständige Blume haben sollte.»
    Polkes übersetzte alles, was ich gesagt

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