Das Geburtstagsgeschenk
1
Wenn wir uns einst im Himmel treffen, werden wir alle dreiunddreißig Jahre alt sein, denn Christus war dreiunddreißig, als er starb. Eine reizvolle Idee! Wahrscheinlich sind die Leute, die sich das ausgedacht haben, darauf gekommen, weil es ein idealer Lebensabschnitt ist – nicht mehr die erste Jugend, aber von Alterserscheinungen noch weit entfernt. Mir erzählte Sandy Caxton davon, mein Tischnachbar bei dem Essen, zu dem Ivor zur Feier seines Geburtstages – des dreiunddreißigsten natürlich – eingeladen hatte. Ja, meinte Ivor später, Caxton habe immer einen ganzen Sack solcher Weisheiten auf Lager. Ich glaube allerdings eher, dass Caxton das Thema wechseln wollte, denn ich hatte ihn gefragt, ob er in London wohne.
»Bedaure, das kann ich Ihnen nicht sagen.« Als er mein verblüfftes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Ich war mal Nordirland-Minister, und wir sollen nicht darüber sprechen, wo wir wohnen.«
Eigentlich hätte ich mir das denken können. Von Ivor wusste ich, dass Sandy sogar auf der Party einen Leibwächter dabeihatte und dass die Polizei, wenn Sandy irgendwo zur Frühmesse gehen wollte, vorher mit Spürhunden die Kirche absuchte. Letztlich hat es ihm nichts genützt. Sie haben ihn erwischt – genau nach Plan. Aber davon später. Iris’ Tischnachbar war Ivors Freund Jack Munro, den sie besonders schätzte und von dem sie sich mit großem Bedauern verabschiedete, als wir vor den anderen gehen mussten. Wir hatten zwar einen zuverlässigen Babysitter, aber es zog uns trotzdem zurück zu Nadine. Sie war das erste unserer vier Kinder, und wir waren beide so vernarrt in sie, dass wir unruhig wurden, sobald wir längere Zeit von ihr getrennt waren, und sei es auch für den himmlischen Geburtstag ihres Onkels und obwohl eine ihrer Großmütter das Babysitten übernommen hatte.
Eine Person aber, die Ivor nahestand (wenn ich das so sagen darf), fehlte bei der Feier.
»Ivors Freundin war nicht da«, stellte ich fest, während wir die Fitzjohn’s Avenue hochgingen.
»Sie war bestimmt nicht eingeladen. Du kennst doch Ivor. In mancher Hinsicht ist er erstaunlich rückständig. Man lädt seine Geliebte nicht zusammen mit seinen Freunden ein.« Sie lächelte, wie immer, wenn von den Eigenheiten ihres Bruders die Rede war, halb mitleidig, halb bedauernd. »Außerdem hält er es wohl für Zeitverschwendung, angezogen mit ihr auszugehen, statt ausgezogen mit ihr drinzubleiben.«
»So läuft das also?«
»Wahrscheinlich nur so«, sagte Iris.
Wird sein Name genannt, reagieren die meisten Menschen mit einem verständnislosen »Wer?«, die übrigen denken kurz nach und fragen dann, ob das nicht der Typ sei, um den es – wann war das doch gleich – diese Skandalgeschichte gegeben habe.
Mein Schwager war Politiker durch und durch, und deshalb lässt es sich nicht vermeiden, dass ich auch die Politik werde ins Spiel bringen müssen. Allerdings merke ich immer mehr, wie wenig ich über dieses Thema weiß und wie sehr die Details mich langweilen. Ich habe mir deshalb vorgenommen, diesen Aspekt von Ivors Leben so weit es geht auszuklammern bis auf (wie ich hoffe) besonders Interessantes und – denn darum kommt, wer über diese Ära spricht, nicht herum – den Rücktritt von Margaret Thatcher, die Ernennung von John Major zum Premierminister und die Parlamentswahlen von 1992 und 1997.
In meinen Bericht habe ich auch Jane Athertons Tagebuch aufgenommen. Nicht in Auszügen, sondern vollständig, so wie es Juliet zugeschickt wurde. Ivors Geschichte und auch die von Hebe Furnal wären ohne diese Aufzeichnungen nicht komplett. Erst kam das Päckchen, dann mit getrennter Post ein Brief. Ivor hat beides nie gesehen, ich vermute, dass er vom Vorhandensein des Tagebuchs nicht einmal etwas ahnt. Auf ihn war so viel eingestürmt, dass er einfach nichts mehr wissen wollte und lieber den Kopf in den Sand steckte. Jane war mit Hebe befreundet, aber die beiden waren sich offenbar so unähnlich, wie zwei Frauen es nur sein können. Was Jane der Freundin sonst noch bedeutet haben mag (abgesehen davon, dass sie ein willkommener Kontrast zu der schönen Hebe war), weiß ich nicht, fest steht jedenfalls, dass sie ihr Alibis lieferte. Und hätte sie sich dafür – insbesondere für ein bestimmtes Alibi – nicht hergegeben, wäre alles, was ich hier schildern werde, gar nicht passiert.
Ich selbst habe Hebe nie persönlich zu Gesicht bekommen. Wie alle anderen kenne auch ich sie nur von den Fotos, die nach dem Unfall in
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