Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
er zur Hindernisstrecke und wieder zu Bothari. Auch Bothari musterte die Strecke, spitzte die Lippen, nahm die Beinschiene fest unter einen Arm und schüttelte ganz leicht den Kopf in Richtung der Mitte der Strecke. Um Miles’ Mundwinkel zuckte es. Bothari seufzte und ging zurück in die Zuschauerzone.
    Bothari warnte ihn also. Aber schließlich war es Botharis Aufgabe darauf zu achten, dass er heil blieb, nicht seine Karriere zu fördern – nein, das war unfair! schalt Miles sich selbst. Niemand hatte ihm bei der Vorbereitung zu dieser hektischen Woche mehr geholfen als Bothari. Er hatte endlos viel Zeit darauf verwendet, Miles zu trainieren und Miles’ Körper bis an die allzu rasch erreichten Grenzen zu zwingen. Mit nicht wankender Hingabe hatte er sich der leidenschaftlichen Besessenheit seines Zöglings gewidmet. Er ist mein erstes Kommando , dachte Miles. Meine Privatarmee.
    Kostolitz starrte Bothari hinterher. Offenbar hatte er schließlich doch noch die Livrée erkannt, denn jetzt blickte er Miles mit überraschter Erleuchtung an.
    »Also, der bist du«, sagte er mit neidischer Ehrfurcht. »Kein Wunder, dass du bei den Tests eine Sonderregelung bekommen hast.«
    Miles lächelte gequält bei dieser beleidigenden Unterstellung. Die Spannung kroch ihm den Rücken hinauf. Er suchte nach einer ätzenden Antwort, doch da wurden sie schon zum Start gerufen.
    Kostolitz Fähigkeit, logische Schlussfolgerungen zu ziehen, war offenbar noch nicht erschöpft, denn er fuhr bissig fort: »Aha, deshalb hat der Lord-Regent sich niemals um die Herrschaft beworben.«
    »Zeit läuft!«, rief der Sergeant. »Los!«
    Die beiden liefen los. Kostolitz war blitzschnell vor Miles. Ja, renne, du hirnloser Bastard, denn wenn ich dich einhole, bring ich dich um! Miles galoppierte hinterher und kam sich wie eine Kuh beim Pferderennen vor.
    Die Mauer, die verfluchte Mauer! Kostolitz war schon halb oben,als Miles ankam. Jetzt konnte er endlich diesem Arbeiterhelden zeigen, wie man kletterte. Er flitzte hinauf, als wären die winzigen Finger und Zehenhalte große Stufen. Die Wut trieb die Muskeln zur Höchstleistung – und darüber hinaus. Befriedigt war er vor Kostolitz oben. Dann hockte er zwischen den Eisendornen und blickte nach unten.
    Der Prüfungsoffizier ließ Miles nicht aus den Augen. Jetzt hatte Kostolitz ihn mit vor Anstrengung hochrotem Kopf eingeholt. »Ein Vor hat Höhenangst?«, japste Kostolitz und grinste ihn höhnisch über die Schulter an. Dann sprang er, landete knallhart im Sand, fand das Gleichgewicht wieder und rannte weiter.
    Kostbare Sekunden würde es kosten, die Mauer wie eine osteoporöse alte Frau vorsichtig hinabzuklettern – vielleicht konnte er bei der Landung unten abrollen? Der Prüfer starrte ihn an. Kostolitz war schon beim nächsten Hindernis. Miles sprang.
    Die Zeit schien sich zu dehnen, als er dem Sand entgegenstürzte, als wolle sie ihm noch mehr Zeit geben, die Tragweite seines Fehlers voll auszukosten. Beim Aufprall hörte er das vertraute Knacken.
    Dann saß er fast blind vor Schmerzen da. Er schrie nicht auf – der unbeteiligte Beobachter in seinem Kopf meinte zynisch: Diesmal kannst du der Schiene nicht die Schuld geben. Diesmal hast du beide Beine gebrochen.
    Die Beine schwollen an und verfärbten sich, wurden dunkelrot mit weißen Flecken. Er schob sich so weit vor, dass sie gerade lagen, und barg das Gesicht einen Augenblick zwischen den Knien. Da man sein Gesicht nicht sah, gestattete er sich einen stummen Schmerzensschrei. Er fluchte nicht. Das schlimmste Schimpfwort konnte die jetzige Lage nur unzulänglich beschreiben.
    Als der Prüfungsoffizier erkannte, dass Miles nicht wieder aufstand, kam er zu ihm herüber. Miles robbte durch die Sandkuhle, um dem nächsten Paar der Kadetten Platz zu machen, und wartete geduldig auf Bothari. Jetzt hatte er unendlich viel Zeit.
     
    Miles mochte die neuen Antischwerkraftkrücken überhaupt nicht, obwohl er sie unsichtbar unter der Kleidung tragen konnte. Er ging mit ihnen irgendwie unsicher und gestelzt, so dass er sich wie ein Spastiker vorkam. Ein guter alter Stock wäre ihm lieber gewesen oder noch besser ein Schwertstock, wie der von Hauptmann Koudelka, den man bei jedem Schritt mit kräftigem Stoß in den Boden rammen konnte, als spieße man einen Feind auf – Kostolitz zum Beispiel. Miles blieb stehen, um das Gleichgewicht zu sammeln, ehe er die Stufen zum Haus der Vorkosigans hinaufging.
    Winzige Quarzteilchen in den verwitterten

Weitere Kostenlose Bücher