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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Der Schlag traf ihn hoch am rechten Wangenknochen. Und genau das hatte er beabsichtigt, als er sein Gesicht um einige Zentimeter schräg nach oben gedreht hatte, während sein Vater zuschlug. Am Esstisch zielte der Vater meistens auf die Nase und versuchte, aus dem Handgelenk mit der Rückseite der Fingerspitzen zu treffen. Auf der Wange tat so ein Schlag nicht weh. Es war nur ein stummes, weißes Gefühl, ihn zu bekommen. Lieber auf den Wangenknochen.
    Der Vater war stolz auf den Schlag, er bildete sich etwas darauf ein, schnell und überraschend zulangen zu können. Doch Erik, der seine Schläge und Finten kannte wie das Einmaleins, hatte das verräterische Zucken unter dem rechten Auge bemerkt, das jeden Schlag ankündigte. Beim Essen war in der Regel nur mit lange und ausführlich angekündigten, nach weitem Ausholen mit der rechten Hand verabreichten Ohrfeigen zu rechnen. Oder eben mit dem versteckten Hieb aus dem Handgelenk, der aus der anderen Richtung kam und auf die Nase zielte. Letzterer sollte eher demütigen als verletzen.
    Erik hätte den Kopf problemlos so weit in den Nacken legen können, dass sein Vater ihn komplett verfehlte. Aber da bestand das Risiko, dass der alte Mistkerl durchdrehte und sich über den Tisch warf, um ihn mit einem linken Haken oder einer geraden Rechten im Gesicht zu treffen. Porzellan konnte dabei zerbrechen, schlimmstenfalls kippte der ganze Tisch um. Und Erik wäre natürlich schuld, was die Nachtischprügel bis zu einer halben Stunde verlängern konnte.
    Deshalb durfte der Vater nicht ganz daneben treffen, wenn er zu dem hinterhältigen Schlag aus dem Handgelenk ansetzte. Es erforderte Disziplin und Übung, den Kopf nur so weit wegzudrehen, dass der Vater die Nase verfehlte, die Wange aber traf.
    »Ja, ja«, sagte der Vater munter. »Heute entscheiden wir uns für die Bürste und fünfundzwanzig Schläge.«
    Das war ein ungeheuer mildes Urteil, fast schon das Minimum. Fünfundzwanzig Schläge mit der Rückseite der Kleiderbürste dauerten ungefähr zwanzig Sekunden, dann war es vorüber. Er würde nicht weinen müssen, er wollte nicht weinen, wenn der Vater ihn schlug. Es war möglich, nicht zu weinen, wenn er so lange den Atem anhalten konnte. Schläge mit der Birkenrute, die langsamer und schmerzhafter waren als die mit der Kleiderbürste, ließen sich ungefähr dreißig Hiebe lang aushalten. Es war leicht, während der fünfunddreißig Sekunden, die dreißig Schläge mit der Birkenrute dauerten, den Atem anzuhalten.
    Am schlimmsten war die Hundepeitsche. Man hatte das Gefühl, schon beim ersten Schlag zu zerbrechen. Mit dem ersten Blut wurde einem die Luft aus dem Körper geprügelt. Man wurde zu einem kleinen Nichts, das keuchte und ächzte und weitergeprügelt wurde, bis es endlich richtig weinte. Schlimmstenfalls schon bei der Hälfte, nach zwölf oder dreizehn Schlägen.
    Wenn man weinte und sich zugleich wand, um den Schlägen auszuweichen, geriet der Vater in Erregung, schlug härter zu und vergaß zu zählen. Oder er brach ab und erklärte umständlich, dass er nun zehn Schläge zugeben müsse, da man ihm das Prügeln erschwert habe.
    Fünfundzwanzig Schläge mit der Kleiderbürste waren fast nichts. Erik durfte nur seine Dankbarkeit nicht zeigen, denn das konnte zu Zugaben führen. Und natürlich musste er für den Rest des Essens das Glück auf seiner Seite haben: er durfte den Salzstreuer nicht fallen lassen, durfte den Arm nicht über den Tisch ausstrecken, durfte das Brot nicht auf der falschen Seite beschmieren, durfte den kleinen Bruder nicht ärgern, durfte das Milchglas nicht umstoßen, durfte die Kartoffeln nicht zu achtlos schälen usw. Denn das alles führte zu Strafzugaben. Wie jeder noch so fadenscheinige Grund, den der Vater fand.
    »Du hast ja vielleicht scheußliche Trauerränder unter den Nägeln. Und das beim Essen. Macht fünf Schläge zusätzlich«, sagte der Vater.
    Dreißig Schläge mit der Kleiderbürste waren fast nichts. Man konnte leicht für dreißig Sekunden den Atem anhalten und sich darauf konzentrieren, nicht zu zappeln oder zu schreien.
    Es war Mitte September, ein kalter Tag mit klarer Luft und greller Sonne. Sie aßen früh und die Sonnenreflexe spielten im Muster der geschliffenen Fensterscheibe. Er beobachtete einen dicken Sonnenstrahl und stellte sich vor, dass die Staubkörner darin eine Milchstraße bildeten, und dass der Riese am kosmischen Mittagstisch mit dem wahnsinnigen Vater gleich einen stummen Pfiff ausstoßen könnte,

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