Das Kapital (Gesamtausgabe)
eingekerkert und deren Organisation zersprengt, bereits das Selbstvertrauen der englischen Arbeiterklasse erschüttert. Bald darauf vereinigte die Pariser Juni-Insurrektion und ihre blutige Erstickung, wie im kontinentalen Europa so in Enlgaland, alle Fraktionen der herrschenden Klassen, Grundeigentümer und Kapitalisten, Börsenwölfe und Krämer, Prote k-tionisten und Freihändler, Refierung und Opposition, Pfaffen und Freigeister, junge Huren und alte Nonnen, unter dem gemeinschaftlichen Ruf zur Rettung des Eigentums, der Religion, der Familie, der Gesellschaft!
Die Arbeiterklasse wurde überall verfemt, in den Bann getan, unter das "loi des suspects" gestellt. Der Herrn Fabrikanten brauchten sich also nicht zu genieren. Sie brachen in offne Revolte aus nicht nur wider das Zehnstundengesetz, sondern wider die ganze Gesetzgebung, welche seit 1833 die "freie" Aussaugung der Arbeitskraft einigermaßen zu zügeln suchte. Es war eine Proslavery Rebellion in Miniatur, während mehr als zwei Jahren durchgeührt mit zynischer Rücksichtslosigkeit, mit terroristischer Energie, beide um so wohlfeiler, als der rebellische Kapitalist nichts riskierte außer der Haut Arbeiter.
Zum Verständnis des Nachfolgenden muß man sich erinnern, daß die Fabrikakte von 1833, 1844 und 1847
alle drei in Rechtskraft, soweit der eine nicht den andren amendiert; daß keiner derselben den Arbeitstag des männlichen Arbeiters über 18 Jahre beschränkt und daß seit 1833 die fünfzehnstündige Periode von halb 6
Uhr morgens bis halb 9 Uhr abends der gesetzliche "Tag" blieb, innerhalb dessen erst die zwölf-, später die zehnstündige Arbeit der jungen Personen und Frauenzimmer unter den vorgeschriebnen Bedingungen zu verrichten war.
Die Fabrikanten begannen hie und da mit Entlassung eines Teils, manchmal der Hälfte, der von ihnen beschägtigten jungen Personen und Arbeiterinnen und stellten dagegen die fast verschollne Nachtarbeit unter den erwachsnen wieder her. Das Zehnstundengesetz, riefen sie, lasse ihnen keine andre Alternative![147]
Der zweite Schritt bezog sich auf die gesetzlichen Pausen für Mahlzeiten. Hören wir die Fabrikinspektoren.
"Seit der Beschränkung der Arbeitsstunden auf 10 behaupten die Fabrikanten, obgleich sie praktisch ihre Ansicht noch nicht bis zur letzten Konsequenz durchführen,
[147] "Reports etc. for 31st October 1848", p.133, 134.
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daß, wenn z.B. von 9 Uhr morgens bis 7 Uhr abends gearbeitet wird, sie den gesetzlichen Vorschriften genug tun, indem sie eine Stunde für Mahlzeit vor 9 Uhr morgens und eine halbe Stunde nach 7
Uhr abends, also 1 1/2 Stunden für Mahlzeiten geben. In einigen Fällen erlauben sie jetzt eine halbe oder ganze Stunde für Mittagessen, bestehn aber zugleich darauf, sie seien durchaus nicht verpflichtet, irgendeinen Teil der 1 1/2 Stunden im Lauf des zehnstündigen Arbeitstags einzuräumen."[148]
Die Herrn Fabrikanten behaupteten also, die peinlich genauen Bestimmungen des Akts von 1844 über Mahlzeiten gäben den Arbeitern nur die Erlaubnis, vor ihrem Eintritt in die Fabrik und nach ihrem Austritt aus der Fabrik, also bei scih zu Hause, zu essen und zu trinken! Und warum sollten die Arbeiter auch nicht vor 9
Uhr morgens ihr Mittagessen einnehmen? Die Kronjuristen entschieden jedoch, daß die vorgeschriebenen Mahlzeiten
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DAS KAPITAL
"in Pausen während des wirklichen Arbeitstags gegeben werden müssen und daß es ungesetzlich, 10
Stunden nacheinander von 9 Uhr morgens bis 7 Uhr abends ohne Unterbrechung arbeiten zu lassen".[149]
Nach diesen gemütlichen Demonstrationen leitete das Kapital seine Revolte ein durch einen Schritt, der dem Buchstaben des Gesetzes von 1844 entsprach, also legal war.
Das Gesetz von 1844 verbot allerdings, Kinder von 8 bis 13 Jahren, die vor 12 Uhr vormittags beschäftigt würden, wieder nach 1 Uhr mittags zu beschäftigen. Aber es regelte in keiner Weise die 6 1/2stündige Arbeit der Kinder, deren Arbeitszeit um 12 Uhr vormittags oder später begann! Achtjährige Kinder konnten daher, wenn sie die Arbeit um 12 Uhr vormittags begannen, von 12 bis 1 Uhr verwandt werden, 1 Stunde; von 2
Uhr bis 4 Uhr nachmittags, 2 Stunden, und von 5 Uhr bis halb 9 Uhr abends, 3 1/2 Stunden; alles in allem die gesetzlichen 6 1/2 Stunden! Oder noch besser. Um ihre Verwendung der Arbeit erwachsner männlicher Arbeiter bis halb 9 Uhr abends anzupassen, brauchten ihnen die Fabrikanten kein Werk zu geben vor 2 Uhr nachmittags und konnten sie dann
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