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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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ich ihn nicht sah, öffnete ich die Tür und betrat den Bäckerladen.
    »Grüß Gott«, sagte ich feierlich. Das war alles, was ich auf deutsch gelernt hatte.
    Ich sah sofort, daß der Bäcker ein lieber Mann war.
    »Norsk!« sagte ich und schlug mir auf die Brust, um ihm klarzumachen, daß ich seine Sprache nicht verstand.
    Der alte Mann beugte sich über den breiten Marmortresen und starrte mir in die Augen.
    »Wirklich?« fragte er auf norwegisch. »Ich habe auch in Norwegen gewohnt. Vor viel, viel Jahren. Jetzt habe ich fast alles Norwegisch vergessen.«
    Er drehte sich um und öffnete einen alten Kühlschrank. Gleich darauf brachte er eine Flasche Limonade, öffnete sie und stellte sie auf den Tisch.
    »Du magst Brus«, sagte er. »Nicht wahr? Bitte sehr, mein junger Freund. Sehr gute Brus!«
    Ich hob die Flasche an den Mund und trank ein paar Schlucke. Es schmeckte noch besser als die Limo, die ich im »Schönen Waldemar« getrunken hatte. Ich glaube, es war Birnenlimonade.
    Der alte weißhaarige Mann beugte sich wieder über den Marmortresen und flüsterte: »Gut geschmeckt?«
    »Wunderbar«, sagte ich.
    »Jawohl«, flüsterte er weiter. »Das ist wirklich sehr gute Brus. Und es gibt noch eine andere Brus in Dorf. Noch besser. Aber die wird nicht im Laden verkauft. Verstehst du?«
    Ich nickte. Sein Geflüster war so seltsam, daß ich es fast mit der Angst bekam. Aber dann blickte ich in seine blauen Augen, und die waren nur lieb.
    »Ich komme aus Arendal«, erzählte ich. »Mein Vater und ich wollen nach Griechenland, um Mama zu suchen. Sie hat sich leider in der Welt der Mode verirrt.«
    Jetzt musterte er mich scharf.
    »Sagst du Arendal, mein Freund? Und sich verirrt? Da ist sie wohl nicht die einzige. Auch ich habe mehrere Jahr in der grimmen Stadt gewohnt. Aber sie haben mich da wohl vergessen.«
    Ich sah zu ihm hoch. Ob er wirklich in Grimstad gewohnt hatte? Das ist unsere Nachbarstadt. Mein Vater und ich fuhren im Sommer oft mit dem Boot hin.
    »Das ist nicht... so weit von Arendal«, stotterte ich.
    »Nein, nein. Und ich habe gewußt, daß ein junger Knabe eines Tages kommt nach Dorf. Den Schatz zu holen, mein Freund. Jetzt gehört er nicht mehr nur mir.«
    Plötzlich hörte ich Vater nach mir rufen. Seine Stimme verriet mir, daß er reichlich Alpenbranntwein intus hatte.
    »Tausend Dank für die Limo«, sagte ich. »Aber jetzt muß ich gehen, mein Vater ruft mich.«
    »Vater, ja. Aber natürlich, mein Freund. Warte doch einen Moment. Während du den Fisch gesehen hast, habe ich Rosinenbrötchen in den Ofen geschoben. Ich habe gesehen, daß du die Lupe hast. Da wußte ich, daß du der richtige Knabe bist. Du wirst verstehen, mein Sohn, du wirst verstehen...«
    Der alte Bäcker verschwand im Hinterzimmer. Gleich darauf kam er mit vier Rosinenbrötchen zurück, die er in eine Papiertüte steckte. Er reichte mir die Tüte und sagte ernst: »Nur eine wichtige Sache mußt du mir versprechen. Du mußt das größte Brötchen bis zuletzt aufbewahren und erst dann essen, wenn du ganz allein bist. Und du darfst niemandem erzählen. Verstehst du?«
    »Sicher«, sagte ich. »Und noch mal tausend Dank.«
    Gleich darauf stand ich auf der Straße. Alles ging so schnell, daß ich nicht mehr weiß, ob meine Erinnerung wirklich erst wieder damit einsetzt, daß ich meinen Vater zwischen der Bäckerei und dem »SchönenWaldemar« traf. Ich erzählte ihm jedenfalls, daß ich von einem alten Bäcker, der aus Grimstad ausgewandert war, eine Flasche Limonade und vier Rosinenbrötchen bekommen hätte. Mein Vater glaubte wohl, ich phantasierte, trotzdem aß er auf dem Weg zur Pension ein Brötchen auf. Ich selber futterte zwei. Das größte behielt ich in der Tüte.
    Mein Vater schlief ein, sowie er sich aufs Bett legte. Ich selber blieb wach, weil ich an den alten Bäcker und den Goldfisch dachte. Schließlich bekam ich solchen Hunger, daß ich aufstand, um die Tüte mit dem letzten Brötchen zu holen. Ich setzte mich auf den Stuhl neben meinem Bett und biß im Dunkeln in das Brötchen.
    Plötzlich stießen meine Zähne gegen etwas Hartes. Ich zerriß das Brötchen und hielt einen streichholzschachtelgroßen Gegenstand in der Hand. Mein Vater schnarchte. Ich knipste die Nachttischlampe an.
    Was ich in Händen hielt, war ein Büchlein. Auf dem Einband stand: Die Purpurlimonade und die magische Insel .
    Ich blätterte in dem Büchlein. Obwohl es winzig klein war, enthielt es über hundert Seiten mit Mikroschrift. Ich schlug die

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