1069 - Die teuflischen Drei
Sie fürchtete sich nicht vor einem Gewitter. Das gehörte zum Sommer.
Aber dieses Unwetter in den frühen Abendstunden war schon etwas Besonderes. Es transportierte, eingepackt in den Donner und in den grellen Schein der Blitze, eine besondere Botschaft, die auch an Marina Sadlock nicht spurlos vorbeigestrichen war.
Es war etwas passiert.
Nicht hier.
Nicht im Haus, nicht draußen vor der Tür, wo die Gewalten tobten, auch nicht unbedingt in der Nähe. Woanders, weiter entfernt, nicht zu sehen, weil es eben zu weit weg war, aber zu spüren.
Sie blieb im Bett sitzen und wartete. Beruhigen, die Gedanken sammeln, auch über die Vergangenheit nachdenken. Damit meinte sie die hinter ihr liegenden Stunden.
Der Tag war schlimm gewesen. Nicht für Marina und ihre beiden Freundinnen persönlich. Die Frauen hatten ihn allgemein als schlimm angesehen, denn es lag einzig und allein am Wetter. Kaum Sonne, und wenn, dann hielt sie sich hinter einem dünnen Schleier aus Wolken versteckt. Dafür war die Luft schrecklich geworden. So dicht, so schwül.
Kaum zu atmen. Gefüllt mit Feuchtigkeit, mit Dingen, die man nicht messen und auch nicht erklären, sondern einfach nur fühlen konnte.
Ungute Schwingungen, die auch an Marina nicht spurlos vorübergegangen waren. Sie war sehr nervös gewesen, schon vom Mittag an. Da hatte sich das Wetter nämlich verdichtet. Ihre beiden Mitbewohnerinnen war es ähnlich ergangen.
Lucia, Farah und Marina verstanden sich eigentlich recht gut. Es gab selten Streit. Das war in den zurückliegenden Stunden anders gewesen.
Zwar hatten sie sich nicht gestritten, aber sie waren auch nicht sehr freundlich miteinander gewesen. Da hatten sie mehr Katzen und Katern geglichen, die sich lieber aus dem Weg gingen, bevor sie sich gegenseitig an die Kehlen sprangen.
Jede hatte etwas gespürt. Keine war jedoch in der Lage gewesen, dieses Gefühl in Worte zu fassen und zu erklären. Sie waren unruhig hin-und hergegangen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses. Jede von ihnen hatte gewußt, daß es zu Entladungen kommen konnte, sowohl bei ihnen als auch in der Natur.
Wieder donnerte es.
Diesmal klang das Geräusch anders. So hell, so klar. Wie das Echo eines Peitschenknalls, das über den Himmel jagte und einiges dabei zerstören wollte.
Marina zuckte zusammen. Sie senkte den Kopf, sah den Blitz nicht, aber sie wußte, daß er der Erde entgegengejagt war.
Es war wieder ruhiger geworden. Das Gewitter tobte nicht in der unmittelbaren Nähe des Hauses. Es war weiter entfernt. Mehr zur Küste hin. Möglicherweise lag sein Zentrum über dem Wasser, das aber war nicht so sicher.
Die Unruhe blieb. Marina Sadlock spürte sie sehr genau. Sie hatte sich in ihren Blutbahnen festgesetzt. Sie kribbelte durch die Adern, sie erreichte ihren Kopf, um die Gedanken zu bearbeiten. Sie wußte auch, daß sich etwas verändert hatte, mit dem Unwetter, durch das Unwetter, aber sie konnte nicht sagen, was es gewesen war. Es war ihr nur klar, daß auch sie davon betroffen war. Allerdings nicht direkt, mehr indirekt, und das reichte auch schon.
Das Bett kam ihr plötzlich zu klein und zu mickrig vor. Sie wollte nicht mehr auf dieser Insel hocken und verließ es. Mit nackten Füßen lief sie über den Holzboden hinweg auf das halbrunde Fenster in der Mauer zu.
Das Fenster war nicht unbedingt breit, dafür allerdings recht hoch, so daß sie einen guten Ausblick genießen konnte.
Draußen kochte die Welt. Sie schien in einen gewaltigen Kessel gesteckt worden zu sein. Es spielten sich beinahe schon abartige Szenen ab. Die Wolken befanden sich in einer ständigen Bewegung. Verschiedene Schichten rollten aufeinander zu, stießen zusammen, drehten sich, weil sie durch den Wind in einen gewaltigen Wirbel hineingerissen worden waren. So schafften sie es, Trichter zu bilden, die sich von hoch oben bis nach unten hin zogen und beinahe so aussahen wie eine Windhose, die quer über das Land ziehen wollte.
Sie taten es nicht. Sie blieben fast an der gleichen Stelle und stemmten sich gegen die anderen Gewalten an. Dunklere und helle Grautöne mischten sich ineinander, dazwischen jedoch war auch immer ein fahles Gelb zu sehen, als hätte die Sonne dort ihre restlichen Strahlen hinterlassen. Es war eine Welt für sich geworden und immer wieder erhellt durch die Blitzschläge, die sich von keinem Hindernis aufhalten ließen, auch wenn die Wolken so wirkten wie Mauern.
Die Gewalten tobten. Sie schlugen aufeinander ein. Der Donner
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