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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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ließ mir Zeit, und als ich wieder ins Haus kam, saß Albert im Sessel und rauchte Pfeife.
    »Du kommst spät«, sagte er, aber ich spürte, daß seine Gedanken anderswo waren.
    »Warst du auf dem Dachboden?« fragte ich. Ich weiß nicht, woher ich den Mut dazu nahm, es rutschte mir einfach so heraus.
    Er erschrak. Aber gleich darauf blickte er mich mit derselben milden Miene an wie an dem Tag vor Monaten, als ich vor dem alten Haus erschöpft zusammengebrochen war und er sich um mich gekümmert hatte.
    »Bist du müde, Ludwig?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Es war Samstagabend. Am nächsten Morgen würden wir schlafen können, bis die Sonne uns weckte.
    Er ging zum Kamin und legte Holz nach.
    »Dann setzen wir uns heute nacht zusammen«, sagte er.

PIK SECHS
    ... eine Limonade, die mehr als tausendmal besser ist...
    Fast wäre ich über der Lupe und dem Brötchenbuch eingeschlafen. Ich ahnte, daß ich den Anfang eines gewaltigen Märchens gelesen hatte, aber ich kam nicht auf die Idee, daß dieses Märchen etwas mit mir zu tun haben könnte. Ich riß ein Eckchen von der Brötchentüte und benutzte es als Lesezeichen.
    Im Buchladen Danielsen auf dem Marktplatz von Arendal hatte ich einmal etwas Ähnliches gesehen: ein winzig kleines Märchenbuch, das in einer Kassette steckte. Der Unterschied war nur, daß die Buchstaben in diesem Buch so groß gewesen waren, daß auf jeder Seite nur zehn bis zwanzig Wörter Platz hatten. Da konnte von einem gewaltigen Märchen natürlich keine Rede sein.
    Es war schon nach eins. Ich steckte die Lupe in die eine Hosentasche und das Brötchenbuch in die andere, dann fiel ich ins Bett.
    Vater weckte mich am nächsten Morgen früh. Wir müßten uns beeilen, sagte er, sonst würden wir Athen nie erreichen, ehe wir wieder nach Hause müßten. Er regte sich ein bißchen darüber auf, daß ich den Boden dermaßen vollgekrümelt hatte.
    Brötchenkrümel! dachte ich. Das Brötchenbuch war also kein Traum gewesen. Ich stieg in meine Hose und spürte in beiden Taschen etwas Hartes. Ich sagte, ich hätte in der Nacht solchen Hunger gehabt, daß ich das letzte Rosinenbrötchen gegessen hätte. Ich hätte kein Licht anmachen wollen, sagte ich, deshalb hätte ich den Boden so zugekrümelt.
    Rasch packten wir unsere Siebensachen und luden sie ins Auto, ehe wir zum Frühstücken in den Speisesaal stürzten. Ich warf einen Blick ins leere Restaurant. Dort hatte einst Ludwig mit seinen Freunden Wein getrunken.
    Nach dem Frühstück nahmen wir Abschied vom »Schönen Waldemar« und setzten uns ins Auto. Während wir an den Läden in der Waldemarstraße vorüberfuhren, zeigte Vater auf die Bäckerei und fragte, ob ich dort die Brötchen bekommen hätte. Aber ich brauchte diese Frage nicht zu beantworten, denn eben trat der weißhaarige Bäcker auf die Treppe und winkte mir zu. Er winkte auch meinem Vater zu, und der winkte zurück.
    Bald hatten wir die Autobahn erreicht. Ich zog die Lupe und das Brötchenbuch aus der Hosentasche und fing an zu lesen. Mein Vater fragte zweimal, was ich machte. Erst sagte ich, ich untersuchte, ob es auf dem Rücksitz Läuse oder Flöhe gäbe. Beim zweiten Mal sagte ich, ich dächte an Mama.
     
    Albert setzte sich in seinen Schaukelstuhl. Er nahm Tabak aus einem alten Kästchen, stopfte sich die Pfeife und zündete sie an.
    »Ich wurde 1881 hier in Dorf geboren«, begann er. »Ich war das jüngste von fünf Geschwistern. Wahrscheinlich hing ich deshalb am meisten an meiner Mutter. Hier in Dorf blieben die Jungen immer zu Hause bei ihrer Mutter, bis sie sieben, acht Jahre alt waren; mit acht Jahren begleiteten sie dann ihren Vater zur Arbeit aufs Feld und in den Wald.
    Ich erinnere mich an die langen, hellen Tage, an denen ich zu Hause in der Küche saß und an Mutters Rockzipfel hing. Nur sonntags war die ganze Familie zusammen. Dann machten wir lange Spaziergänge, ließen uns beim Essen viel Zeit, und abends würfelten wir.
    Doch dann kam das Unglück über unsere Familie. Ich war erst vier, als Mutter an Tuberkulose erkrankte. Wir lebten mehrere Jahre mit der Krankheit im Haus. Als kleiner Junge verstand ich natürlich nicht alles, aber ich weiß noch, daß Mutter sich immer wieder hinsetzen und ausruhen und daß sie schließlich immer wieder lange Zeit im Bett liegen mußte. Manchmal saß ich an ihrem Bett und erzählte ihr selbsterfundene Märchen.
    Einmal fand ich sie, wie sie sich in einem schrecklichen Hustenanfall übers Spülbecken beugte. Als ich sah,

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