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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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genau an derselben Stelle befand, wo er zuvor gewesen war – in der Mitte der Allee bei der achten Sphinx. Der Tempel am Ende der einstigen Prunkstraße war immer noch eine Ruine und leer; die zerklüfteten Hügel waren genauso trocken und staubig wie zuvor. Doch die Sonne stand nun hoch am Himmel und brannte auf ihn herab mit einer Grausamkeit, die ihm das Wasser in die Augen trieb.
    Die durch den Übertritt in eine andere Welt verursachten Unannehmlichkeiten gingen rasch vorüber. Zufrieden stellte er fest, dass bei jedem weiteren Sprung das Übelkeitsgefühl und die Desorientierung etwas weniger schlimm ausfielen. Nach dem ersten Mal hatte er sich noch völlig benommen und verwirrt gefühlt und auf seine Schuhe erbrochen; der Schwindelanfall, den er soeben erlebt hatte, war nichts im Vergleich dazu.
    Nun musste er zusehen, dass er nach Luxor kam, nachdem er davon ausgehen konnte, dass sein Sprung erfolgreich gewesen war und er sich in der von Wilhelmina erwarteten Zeitzone befand. Er wusste ganz allgemein, was er nun tun musste: zum Fluss gehen und ihm stromabwärts folgen, bis er in die Stadt kam. Wenn er in direkter Linie marschierte, bedeutete dies eine Strecke von etwa zehn Meilen – was natürlich davon abhing, wie gerade er tatsächlich gehen würde. Anschließend musste er sich zum Hotel begeben und das Paket abholen. Das war einfach. Aus Minas Brief würde er dann erfahren, was er als Nächstes zu tun hatte.
    Er brach auf. Zum Fluss zu gelangen bedeutete, sich die Hügel rauf und runter zu quälen – keine leichte Aufgabe, wie er bald bemerkte. Er folgte einem Ziegenpfad, und obwohl er die öden Hänge langsam hochkletterte, keuchte er bald vor Anstrengung. Die heißen Sonnenstrahlen wurden von dem bleichen Felsgestein reflektiert, das überall herumlag, und brannten durch seine Kleidung. Der Schweiß rann ihm vom Gesicht und vom Nacken herab; bei jedem Schritt fielen dicke Tropfen zu Boden, die dort winzige Staubexplosionen verursachten. Mina hatte ihm für die Reise einen Wasserschlauch mitgegeben, doch als die Hitze ihm immer stärker zusetzte, überkam ihn die Sorge, dass dieser Vorrat nicht ausreichen würde. Daher ging er sehr behutsam damit um und trank stets nur winzige Schlucke von der inzwischen warmen, leicht brackig schmeckenden Flüssigkeit.
    Um sich von der mühseligen Wanderung abzulenken, dachte er darüber nach, wohin er gerade ging und was er wohl vorfinden würde, wenn er dort ankam. Er fragte sich, in welchem Jahr er sich befand und warum er in Ägypten geblieben war; denn wenn zuvor ein Ley-Übergang benutzt worden war, hatte es den Reisenden stets – soweit er wusste – an einen aufsehenerregend anderen Ort verschlagen. Wahrscheinlich hing das von der Länge der Distanz ab, die man entlang eines Leys gereist war, schlussfolgerte Kit, dem ansonsten keine bessere Erklärung einfiel. Vielleicht war das der Grund, weshalb Mina so hartnäckig darauf hingewiesen hatte, den Sprung zwischen der fünften und achten Sphinx durchzuführen. Wo wäre er wohl gelandet, wenn er diese Markierung verfehlt hätte? Wichtiger noch: Wie hätte er ohne irgendeine Art von Karte den Weg zurück gefunden?
    Das war die entscheidende Frage! Endlich begann er – wenn auch etwas verspätet –, eine gebührende Wertschätzung für den einzigartigen Mut von Arthur Flinders-Petrie und für die geradezu Ehrfurcht gebietende Bedeutung der Meisterkarte zu empfinden. »Geh niemals ohne sie von zu Hause weg!«, sinnierte er laut.
    Andere Fragen sprudelten an die Oberfläche seines Bewusstseins: In welchem Zeitraum war er nun gelandet? Aus der trostlosen Umgebung ließ sich in keiner Weise eine Antwort auf diese Frage ableiten. Die Wüste hatte sich im Verlauf einiger tausend Jahre nicht geändert, soweit er das feststellen konnte. In welcher Epoche befand er sich also? Eine weitere knifflige Frage tauchte auf: Wie hatte Wilhelmina einen Weg gefunden, ihn und Giles vor dem nahen sicheren Tod durch die Hände von Burleigh und dessen Schlägern zu retten? Sie schien weder eine Karte – nicht einmal eine aus Papier – noch irgendeine andere Art von Wegweiser zu haben. Wie nur hatte sie dieses Kunststück vollbracht? Wichtiger noch: Wie war sie zu solch einer Expertin in Ley-Reisen geworden? Als Kit seine einstige Freundin das letzte Mal gesehen hatte, war sie in einer Londoner Gasse gewesen und hatte geheult, während ein außergewöhnlicher Sturm sie von Kopf bis Fuß durchnässte. Dann waren sie beide getrennt

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