022 - Der Sarg der tausend Tode
Ernest Fitzpatrick lächelte. Seit vierzehn Jahren arbeitete er als Taxifahrer, aber so einen ulkigen Fahrgast hatte er noch nie befördert.
Der Mann war voll wie eine Strandhaubitze, aber deswegen nicht unangenehm, sondern eher unterhaltsam.
Es gibt Menschen, die werden krakeelig, wenn sie Alkohol trinken. Sie stänkern herum und suchen Streit. Andere wiederum blicken erst zu tief ins Glas, und dann setzen sie sich hin, und das heulende Elend überkommt sie.
Und dann gibt es Leute wie Jerry Malding. Sie sind witzig, amüsant, wollen die ganze Welt umarmen und an ihrem Glück teilhaben lassen. Fitzpatrick lachte Tränen über seinen Fahrgast, und es tat ihm nicht nur aus geschäftlichen Gründen leid, daß die Fahrt nicht länger dauerte.
»Dort vorne wohne ich schon«, sagte Jerry Malding und lachte.
»Meine Güte, der Lebenskampf beginnt für mich erst. Meine Alte ist eine herzensgute Frau. Nur eines kann sie nicht vertragen: Wenn ich schlucke. Und dabei tu’ ich’s so furchtbar gern. Soll ich Ihnen verraten, was in wenigen Minuten passiert? Die Alte steht mit dem Nudelholz hinter der Tür, ich hänge meinen Hut über die Faust und zieh’ ihn blitzschnell zurück, wenn sie zuschlägt. Ich hab’ das schon mal gemacht. Sie konnte den Schwung nicht rechtzeitig abfangen und schlug sich selbst das Knie blau. Mann, hab’ ich gelacht.«
Fitzpatrick lachte jetzt mit ihm. Und zwar so herzlich, daß er sich die Tränen aus den Augen wischen mußte, weil er die Straße nur noch verschwommen sah.
Er nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ das Taxi vor dem Haus ausrollen, in dem Jerry Malding wohnte.
»Haben Sie Lust, mit hochzukommen und sich den Kampf anzusehen?« fragte Malding.
Fitzpatrick grinste. »Vielen Dank, ich bin nicht scharf auf eine Beule.«
»Ich sollte sämtliche Nachbarn wecken und Eintrittskarten verkaufen, damit sich die Show lohnt.« Malding schlug sich auf die Schenkel. »Und wissen Sie, was ich mir mit dem Geld, das hereinkäme, kaufen würde? Eine Pulle Scotch! Hahaha!«
Ernest Fitzpatrick schüttelte den Kopf. Malding war ein sympathisches Urviech.
»Was kriegen Sie?« fragte der Fahrgast.
Fitzpatrick las den Fahrpreis vom Zähler ab. Malding rundete kräftig auf und sagte: »Hier, kaufen Sie sich für den Rest ein Eigenheim.«
»Danke, Sir«, sagte Fitzpatrick, stieg aus und öffnete die Tür für den Fahrgast. Das machte er nicht bei jedem.
Jerry Malding schob sich aus dem Fahrzeug, richtete sich wankend auf, sah den Taxifahrer mit glasigen Augen an und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Denken Sie in ein paar Minuten an mich.«
»Ich drücke Ihnen die Daumen«, sagte Fitzpatrick.
»Damit es mit einem Trick klappt. Dann läuft die Alte morgen wieder mit ‘ner blau schillernden Kniescheibe herum. Hahaha!«
Malding boxte den Taxifahrer freundschaftlich in die Rippen und begab sich zur Haustür.
Ernest Fitzpatrick sah ihm lachend nach. Der Mann stocherte mit dem Schlüssel umständlich im Türschloß herum. Als er endlich Glück hatte, schwang die Tür auf. Jerry Malding verschwand dahinter, und Ernest Fitzpatrick setzte sich wieder in seinen Wagen.
Er schüttelte abermals den Kopf. Es hätte ihm gefallen, wenn er nur solche Fahrgäste gehabt hätte, dann wäre die Arbeit ein Vergnügen gewesen, und die Nacht wäre im Fluge vergangen.
Fitzpatrick schaltete den Zähler aus, trug die Einnahme ein und fuhr weiter. An der nächsten Straßenecke stand ein Mann. Er winkte. Ernest Fitzpatrick fuhr links ran.
»Taxi, Sir?«
»Ja.« Der Mann öffnete den Wagenschlag und setzte sich in den Fond.
Fitzpatrick erkundigte sich nach dem Fahrtziel. Der Fahrgast nannte es ihm. Fitzpatrick nickte und schaltete die Uhr ein. Während er losfuhr, warf er hin und wieder einen Blick in den Innenspiegel.
Jerry Malding und dieser Mann waren wie Tag und Nacht. Der neue Fahrgast war ernst und verschlossen, machte aber einen vertrauenerweckenden Eindruck. Fitzpatrick versuchte ein Gespräch in Gang zu bringen.
Es klappte nicht. Er erzählte von Jerry Malding und mußte selbst wieder lachen, doch der Mann blieb ernst. Er schien Sorgen zu haben. Hin und wieder drehte er sich um und schaute durch das Heckfenster, als wollte er sich davon überzeugen, daß ihnen niemand folgte.
Fitzpatrick fragte sich, was seinen Fahrgast beunruhigte. War der Mann in Schwierigkeiten? Der Taxifahrer wußte nicht, wie er den Fahrgast dazu bringen konnte, mit ihm über sein Problem zu sprechen.
Ernest Fitzpatrick hatte
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