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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Welt sah tropfnass und schmierig aus – so als betrachte man das Leben durch ein angelaufenes Fensterglas. Ich bückte mich, um die Kette aufzuschließen, mit der ich mein klappriges Fahrrad für gewöhnlich an einer Straßenlaterne festmachte – ungeachtet des Umstands, dass es ihm bislang nicht gelungen war, irgendeinen beliebigen kleinen Gauner auch nur zu einem halbherzigen Diebstahlsversuch zu verlocken, und dass selbst Hunde es verschmähten, sich an den rostigen Speichen und dem abblätternden Rahmen zu erleichtern.
    Ich stieg auf und radelte los, ein wenig wackelig am Anfang, doch dann mit mehr Entschlossenheit. Ich fuhr die Straße entlang, am Eckladen vorbei, am Videoverleih, am King’s Arms, an der Pizzeria und an der U-Bahn-Station, wo mir die Fahrt im Geschwindigkeitsrausch zu Kopf stieg, worauf ich mich in den dichten Verkehr einfädelte und hinaus auf die Hauptstraße raste. Von hier aus dauerte der Weg zur Arbeit noch rund eine Dreiviertelstunde, denn ich musste durch Clapham, Brixton, Stockwell und Lambeth strampeln, und auf der ganzen Strecke blies mir London seinen Dreck, Sand und Rauch ins Gesicht. Wenn ich so im dichten Verkehr vor mich hin radelte, wurde mir immer bewusst, dass ich nur ein kleiner Teil von etwas Größerem war, ein winziger Teil des gewaltigen Sturms, des gedankenlosen, ferngesteuerten Stroms der Arbeitenden ins Zentrum der Stadt. Unterirdisch und oberirdisch, in Zügen, in Autos, zu Fuß – jedermann drängte sich rücksichtslos vorwärts, die Augen stets auf das hehre Ziel gerichtet, ohne auch nur einen Blick auf all die anderen zu verschwenden, deren Trachten und Streben dem eigenen glich: Wir alle stürzten uns tapfer in die gnadenlose Woge morgendlicher Pendler.
    Es ging schon gefährlich auf neun Uhr zu, als ich schließlich mit quietschenden Reifen in der Fitzgibbon Street Nummer 125 zum Stehen kam. Es war ein behäbiges graues Haus gleich beim Bahnhof Waterloo und nur ein paar Minuten Fußmarsch von den Touristenfallen am Südufer der Themse entfernt. Nichts an diesem Gebäude war geeignet, Aufmerksamkeit zu erregen, nur ein schmutziges Plastikschild an der Mauer gab dem Wissbegierigen Auskunft:
     
    STAATLICHE ARCHIVVERWALTUNG
    DEPOT UND URKUNDENREGISTER
     
    Keuchend und außer Atem schloss ich mein Rad auf dem Parkplatz neben den Altglas- und Altpapierbehältern an. In der Ferne, immer noch vom Morgennebel verhangen, waren die schimmernden Speichen des »London Eye« auszumachen, die Türmchen von Westminster und die sittsame Spitze von Big Ben, doch ich kehrte den Sehenswürdigkeiten der Stadt den Rücken zu und trabte in das graue Gebäude. Ich wedelte Derek vom Empfang kurz mit meinem Ausweis zu, trat in den Aufzug und holte tief Luft, ehe ich im sechsten Stock ausstieg.
    Hier wartete die behagliche Eintönigkeit eines Bürotages auf mich: graue Böden, graue Wände, graue Schreibtische, graue Einrichtung. Es herrschte der übliche Geräuschpegel aus dem leisen Summen der Computer, dem Klacken und Wälzen des Kopierers und dem hartnäckigen, insektenhaften Sirren der Telefone. Ich nickte einigen Kollegen zu, tauschte mit den anderen das übliche »Guten Morgen« und ließ mich ein auf das unausbleibliche Frage- und Antwortspiel – wie denn das letzte Wochenende war, ach ja, eigentlich ganz nett, und so weiter und so fort –, während ich zu meinem Schreibtisch ging, auf dem sich graubraune Aktenordner stapelten.
    Ein Mädchen, das ich nicht kannte, saß auf meinem Stuhl.
    »Sie sitzen auf meinem Stuhl«, sagte ich.
    »Hallo!« Es klang recht freundlich. »Sind Sie Henry Lamb?«
    Ich nickte.
    »Hallo«, sagte sie noch einmal, »ich bin Barbara.«
    Sie war Ende zwanzig, drall und kurzbeinig und trug eine Brille. Sie lächelte mir gehemmt zu, während sie nervös an ihrem Brillengestell herumfummelte.
    Ich hatte keine Ahnung, was sie auf meinem Stuhl wollte.
    »Ich komme von der Vermittlung«, half sie mir weiter.
    Da erinnerte ich mich. »Ach, Sie werden bei der Registratur aushelfen!«
    »Ich glaube, ja.«
    »Na gut. Dann sollten Sie sich erst mal ansehen, wie alles bei uns läuft.«
     
    Barbara nickte höflich, als ich ihr die Toiletten zeigte, den Wasserkühler, das Schwarze Brett, die Notausgänge und die Kaffeemaschine. Ich stellte sie einigen Kollegen vor, welche auf die Störung erwartungsgemäß gereizt reagierten, ehe ich schließlich an die Tür des Bürovorstehers klopfte. Von drinnen ertönte eine Stimme: »Herein!«
    Peter Hickey-Brown saß salopp

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