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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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er das Gleiche zu ihr, was er vier Jahrzehnte später zu mir sagen würde.
    »Vertraue dem Programm«, sagte er.
    Ich will mir eigentlich gar nicht ausmalen, was als Nächstes geschah – aber ich finde es fast unmöglich, dieser Vorstellung zu entkommen: dem Aufschlitzen ihrer Pulsadern, den animalischen Schmerzensschreien, den entsetzlichen, unstillbaren Wogen von Blut.
    Als der rote Strom endlich versiegt war, als die arme junge Frau nach allen Gesetzen der Biologie längst in einen barmherzigen Tod oder wenigstens in eine wohltuende Bewusstlosigkeit hinübergeglitten sein sollte, richtete sie sich mit einem klebrig schmatzenden, knackenden Geräusch, das dem gleicht, wenn man Krabben den Kopf abbricht, plötzlich kerzengerade auf.
    Was auch immer es war, das den beiden nun aus den Augen dieses Mädchens entgegenstarrte, es hatte jedenfalls nichts Menschliches mehr an sich. Als es sprach, geschah es nicht mit der Stimme der jungen Frau; vermutlich lagen Ungeduld, Gereiztheit und Verärgerung in der Frage, warum der Ruf jetzt schon ertönt sei – da doch die Zeit und die Stadt noch nicht reif seien.
    Und dann – das Zuschnappen der Falle. Das Ding, das nunmehr in der Haut des Mädchens steckte, erkannte zu spät, was geschehen war, und stieß in seiner rasenden Wut ein schrilles Kreischen aus. Es zischte und wand sich und bäumte sich auf, und dann begannen mit einem Mal die Schnitte an den Handgelenken unglaublicherweise zu verschmelzen, die Wunden schlossen sich, und wie durch ein Wunder wuchs die Haut über die blutige Masse, bis ihm die Dimension der Falle klar wurde, in der es steckte.
    Der Mann und seine Begleiterin sahen zu, bis das Wesen auf dem Stuhl verstummte und die Verwandlung einsetzte. Unfähig, mitanzusehen, welchen Veränderungen ihr Körper unterworfen wurde, ließen die beiden die junge Frau zurück und flüchteten ins nächste Pub, wo sie sich daranmachten, sich auf Kosten des Steuerzahlers mit großzügig bemessenen Martinis zu stärken.
     
    Vierzig Jahre später zog ich in ebendieses Haus. Ich aß meine Mahlzeiten, las die Zeitung, streifte die Schuhe ab, warf mich aufs Sofa und starrte in demselben Zimmer, in dem man dem armen Mädchen die Pulsadern aufgeschnitten hatte, auf den Fernseher. Und nie ahnte ich auch nur im Entferntesten, was sich dort zugetragen hatte, ahnte (wie sich herausstellen sollte: tragischerweise) nichts von dem Kreis der Geschichte, der beinahe geschlossen war.
    Aber ich greife vor. Bis vor ganz kurzer Zeit wusste ich nichts von alledem, und lange war ich der Meinung, dass die Geschichte der Dominomänner erst letztes Jahr begonnen habe – unter etwas prosaischeren Umständen, als alles in meinem Leben noch weitestgehend normal schien. Ich dachte, dass sie erst mit meinem Großvater ihren Anfang genommen hätte – und mit dem, was ihm im Queen’s Head zugestoßen war.

EINS
     
    Keiner in meiner Familie hatte sonderlich viel für meinen Großvater übrig. Ich bildete immer die Ausnahme.
    Die Einstellung meiner Mutter war ein typisches Beispiel und kann anhand der Art und Weise, wie sie mit der Nachricht herausplatzte, unmissverständlich belegt werden.
    »Der alte Lumpensack ist tot«, sagte sie und versuchte dabei düster zu klingen, war aber nicht fähig oder willens, diese winzige Spur Triumph auszumerzen, die in ihrer Stimme mitschwang. Gleich darauf bemühte sie sich nicht einmal mehr, ihr hämisches Grinsen zu unterdrücken.
    »Der alte Lumpensack ist tot.«
     
    Er befand sich in einem Pub namens Queen’s Head, als es geschah; die Örtlichkeit war weder von der eleganten noch von der anheimelnd zwanglosen Art, sondern nur ein Glied einer Lokalkette – einer jener gastlichen Orte, die das Interieur einer Flughafenhalle mit dem Ambiente einer Zahnarztpraxis verbinden. Es geschah vier Wochen vor Weihnachten, zu einer Zeit, als man in den Geschäftsstraßen in Vorbereitung auf die allgemeine Konsumfreudigkeit schon die Ladenkassen ölte, und wenn ich mir das, was sich damals ereignete, im Geiste vorstellen will, habe ich stets Weihnachtslieder im Ohr, die blechern im Hintergrund vor sich hin dudeln.
    Der alte Lumpensack stand am Tresen, klammerte sich an einen Schoppen und setzte sich vor den übrigen Stammgästen in Szene, indem er mit der Kellnerin flirtete. Er war schon weit über siebzig – und mit seinem rötlichen Gesicht, den Triefaugen und der mit geplatzten Äderchen übersäten Nase sah er noch viel älter aus; das einnehmende Äußere, das in

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