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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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keine tollkühnen, wenn auch ruhmbringenden Gesten geben würde.

 
6
    Zweimal kam es zum Zusammenstoß zwischen König Gie und Bodwin, und bei beiden Gelegenheiten war ich zugegen. Die erste Begegnung fand drei Tage nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus statt anläßlich eines Empfangs; zu dem der König alle Kapitäne und Ersten Offiziere der Flotte einlud. Bodwin hatte nicht kommen wollen, aber seine früheren Standesbrüder, die gleich ihm ihrer Privilegien beraubt worden waren, überredeten ihn, an dem Empfang doch teilzunehmen. Zum letztenmal wollten wir gegen den Plan des Königs eintreten. Was mich betraf, so freute mich sein Entschluß, denn ich wollte diesen König, den man uns gegeben hatte, unbedingt einmal kennenlernen.
    Der Empfang fand im großen Saal des Königspalastes statt – in einem Saal, der in den besten Zeiten des Königreiches ein glanzvolles Fest nach dem anderen gesehen hatte. Das heutige Ereignis war alles andere als glanzvoll, geschweige denn fröhlich. Es herrschte eine von Haß und Mißtrauen bestimmte Atmosphäre, und schon beim Eintritt waren unsere Nerven bis aufs äußerste angespannt. Die Anwesenden schieden sich in zwei Lager. Auf der einen Seite standen die Erdgeborenen, die einmal die treuesten Untertanen des Königs gewesen waren. Nach dem Tode von Asleck war unse re Treue jedoch ins Wanken geraten. Die Jahre der Auseinandersetzung und Kompromisse mit den Throngi hatten uns zu Realisten werden lassen. Als der letzte Vertreter der noch von den Pilgern eingesetzten Kö nigsfamilie gestorben war, ging uns diese Realität wohl zum erstenmal richtig auf, und wir machten uns klar, welch schlimme Zukunft vor uns lag. Asleck war die Personifizierung eines Ideals gewesen, wohingegen Gie uns nichts bedeutete. Wir wollten einfach abflie gen, ohne daß es Gerede darum gab.
    Aber uns gegenüber standen die Neulinge, vorwiegend junge Männer, die in den letzten Jahren, noch von Energie und Ehrgeiz erfüllt, zur Erde gekommen waren. Sie hatten die Erde nie grün und fruchtbar gesehen, sondern kannten nur ihren heruntergekommenen Abklatsch. Aber sie waren die fanatischen Söhne von Fanatikern, denen man gesagt hatte, daß die größte Lehnspflicht des Menschen seine Treue gegenüber der Erde war. Und wenn man ihnen einen ausgebrannten Ziegelstein zeigte und als Erde anpries, waren sie si cher fähig, ihre Loyalität blindlings auch auf dieses Objekt zu übertragen.
    Die erdgeborenen Magnaten hatten Gie Loossi als König eingesetzt in der Absicht, ihn zum machtlosen Sprachrohr zu machen. Aber für die Neuen war Gie als Capellaner ein Mann von zu Hause, und ihre rückhaltlose Treue gab ihm die Macht, die die alte Aristokratie ihm versagt hätte. Kein Wunder also, daß eine große Spannung zwischen uns herrschte. Ich möchte sogar sagen, daß uns und die Neulinge eine größere Kluft trennte als die Terraner und die Throngi.
    Wenigstens waren die Frauen des Königs nicht anwesend – Unserer Mutter sei Dank. Sie haßten sich, verachteten ihren Mann und ignorierten alle übrigen. Wo sie und er sich aufhielten, keimte die Gewalt, so daß es eine Erleichterung war, sie nicht hier zu sehen. Aber die eminence grise des Königs war zugegen: Re nal von Chatlan war ein Neuling, der sich mit seiner Fröhlichkeit, seinem Charme und seinen soldatischen Tugenden in die höheren Kreise gedrängt hatte. Aber er war nicht nur fröhlich, sondern auch vorlaut; er war nicht nur charmant, sondern auch unaufrichtig, und sein Mut entbehrte nicht sadistischer und grausamer Züge. Er haßte außerdem die Throngi mit einer unbegründeten Heftigkeit, die ihn in seinen Verhandlungen mit ihnen oft zum Verrat veranlaßt hatte. Zweifellos war er es gewesen, der Gie den Angriffsplan eingere det hatte. Die Frauen des Königs hätten sich niemals ein solches Vorhaben ausdenken können; Lady Dinana wünschte nichts sehnlicher, als in Everest Hof zu hal ten, solange es zu essen und Luft zum Atmen gab, während Lady Lesina als Angehörige der Flandray-Dynastie mit den Erdgeborenen sympathisierte – obwohl sie sich niemals dazu herabgelassen hätte, das zu sagen.
    Kaum hatte Bodwin die Halle betreten, als die Auseinandersetzung sichtbare Gestalt annahm. Die Neulinge formierten sich hinter dem König, der genaugenommen Renais Marionette war. Und auf Grund seiner Abstammung und des Prestiges, das er als Ex-Kanzler genoß, wurde Bodwin wie selbstverständlich als Anführer der Erdgeborenen angesehen. Die Menge war jetzt

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