Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
Lippen aufeinanderpresste. Die Luft schien kurz zu vibrieren, dann fuhr ein lauter Donnerschlag über die Ebene. Jenna wechselte das Thema.
»Die vier Menschen, die wir suchen, wer sind sie?«
»Ich glaube, es sind junge Leute wie wir.«
»Das alles ist ganz schön merkwürdig, oder?«
»Ja, ziemlich. Ich frage mich, warum ich so ruhig bei dem Gedanken bin, allein in dieser fremden Umgebung gelandet zu sein.«
Jenna sah zu ihm auf. »Du bist nicht allein.«
»Du weißt, was ich meine. Warum renne ich nicht schreiend durch die Gegend oder werfe mich auf den Boden und raufe mir vor Verzweiflung die Haare?«
»Weil du keine Wahl hast und weil du leben willst. Du hoffst, dass es besser wird.«
»Und wenn es nicht besser wird?«
»Es wird besser, glaub mir. Es muss besser werden.« Sie seufzte.
Und wenn es doch nicht besser wird – werden wir sterben. Er sprach es nicht aus, war sich aber sicher, dass Jenna es in seinem Gesicht lesen konnte.
Plötzlich zerriss ein schrilles Kreischen die Stille. Jeb packte Jenna am Arm und rannte mit ihr zu León vor. In Jennas Gesicht spiegelte sich Angst, während Leóns Gesichtszüge zu einer Maske erstarrt waren.
Da erst bemerkte er, dass León ein gefährlich aussehendes Messer in der Hand hatte. Er hielt es locker und entspannt, als ob er den Umgang mit einem Messer gewohnt sei.
»War es das, was ihr meintet?«, fragte der tätowierte Junge.
Jeb nickte nur. »Wo hast du das Messer her?«
»Es war in meinem Rucksack, in einer der Seitentaschen. Immerhin etwas, das ich noch mitnehmen konnte.«
Erneut erklang ein bedrohlicher Schrei, ein heiseres Heulen, das in den Ohren schmerzte und von dem man unmöglich sagen konnte, ob es von Mensch oder Tier stammte. Aber diesmal schien es weiter entfernt. Gewitter und Regen hatten sich verzogen. León blickte sich um.
»Was auch immer da draußen ist, es klingt nicht so, als ob es näher kommt. Es scheint sich parallel von uns zu bewegen.«
Jeb starrte ihn an. »Du weißt, was das bedeutet?«
»Die Tiere jagen jemand anderen und diese anderen sind wahrscheinlich die vier, die wir suchen.«
»Keine Tiere, ganz bestimmt keine Tiere«, flüsterte Jeb. »Wir müssen etwas tun!«
León kniff die Augen zusammen. »Keine Chance. Wir wissen nicht, wo sich die Jagd abspielt, kennen weder die Anzahl der Jäger noch die Beute. Wir haben nur ein Messer. Außerdem: besser sie als wir.«
Jeb starrte ihn sprachlos an. »Ist das dein Ernst?«
León erwiderte ungerührt seinen Blick. »Was denn? Was regst du dich auf? Ist es nicht besser, es erwischt jemand anderen und nicht uns? Oder bist du etwa scharf drauf, ein Opfer zu werden?«
Jeb schluckte schwer. Er konnte so viel Gefühlskälte nicht fassen. Wut wollte in ihm aufsteigen, doch er drängte sie zurück.
»Wir müssen es wenigstens versuchen«, sagte Jeb gepresst.
León ließ sich nicht beeindrucken. »Sie sind zu weit weg. Egal, ob die Verfolger sie einholen oder sie entkommen, bis wir dort sind, ist alles längst entschieden.«
»Aber…«
Jenna trat vor Jeb. Sie legte ihm beide Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen.
»León hat recht, wir können nichts tun. Wir können ihnen nicht helfen. Wir müssen weitergehen. Wer auch immer da von wem auch immer gejagt wird, vielleicht hat er Glück.«
Jeb blickte zu León hinüber. Der tätowierte Junge wirkte ruhig, fast unbeteiligt. León erwiderte ungerührt seinen Blick. Ein Frösteln lief über Jebs Körper.
In diesem Moment wurde Jeb klar, dass León dem Tod schon öfter begegnet war. Und all diese furchtbaren Bilder und Muster auf Gesicht und Körper erzählten davon.
Während León ihn abwartend musterte, versuchte Jeb, sich seine Beunruhigung nicht anmerken zu lassen. Er spürte, wie sein linkes Auge zu zucken begann, und sah an Leóns verächtlichem Lächeln, dass er es ebenfalls bemerkt hatte.
6.
León sah sie als Erster. Er gab Jeb und Jenna ein Zeichen mit der Hand und sie ließen sich zu Boden sinken.
»Was ist?«, fragte Jeb.
»Schschschscht!« León legte einen Finger auf die Lippen. »Da kommt jemand auf uns zu«, flüsterte er.
»Jemand? Ich höre kein Kreischen. Sind es Menschen?«
»Kann ich nicht richtig erkennen. Es sind mehrere, sie reden miteinander. Ich verstehe kein Wort, aber sie klingen menschlich.«
Als Jeb den Kopf heben wollte, machte León einen ärgerlichen zischenden Laut.
»Wir wissen nicht, ob das diejenigen sind, die wir suchen. Lass sie näher herankommen, damit wir sehen,
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