Das lässt sich ändern
Roller mitgebracht und hergerichtet hat, mit dem er so lange auf Holzapfels Hof und später mit Bora durch Ilmenstett gefahren ist, bis ich schon dachte, er wird niemals auf sein Fahrrad steigen. Nach ihmhat Magali das Auto übernommen und ist damit durch Fritzis und Holzapfels Haus und hinter dem Haus durch den Garten gewuselt. Unter dem aufklappbaren Sitz ihres Cabriolets hatte sie ihre Arbeitshandschuhe, die kleine Plastikschippe und ihre Minigießkanne verstaut. Praktischer Werkzeugkoffer.
Meine Mutter war misstrauisch, als sie eines Abends anrief und hörte, dass wir mit einer Freundin nach Ilmenstett ziehen würden. Es begann die bekannte Inquisition.
Was ist das denn für eine Freundin, sagte sie. Was macht denn die Freundin beruflich?
Ich sagte es ihr.
Fritzi, sagte sie, als sie den Namen hörte, um ein für allemal klarzustellen, dass sie das Vorhaben missbilligte. Was für ein Operettenname.
Operette stand auf der Skala der kulturellen Nichtswürdigkeiten bei meiner Mutter nur einen Hauch über dem Schlager, also praktisch am Abgrund der Barbarei, und wenn Fritzis Eltern ihrer Tochter diese Entgleisung von einem Namen gegeben hatten, dann konnte einem das arme Wesen nur leidtun und war gestraft fürs Leben.
Ich schwieg und hoffte, dass es damit erledigt wäre, aber sie bohrte weiter.
Eine WehGeh, sagte sie gedehnt. Und das in deinem Alter. Die Zeit der WehGehs ist doch glücklicherweise vorbei.
Sie kann es einfach nicht lassen, dachte ich, aber irgendwann ist es auch mal genug.
Inzwischen ist eher das Singleleben in Mode, sagte ich. Das saß. Einen Moment lang war es am anderen Ende der Leitung ganz ruhig. Ich hatte nie in einer Wohngemeinschaft gewohnt, weil es in allen Wohngemeinschaften, die ich kannte, Diskussionen darüber gab, wer was machen sollte, und alle Bewohner von Wohngemeinschaften Handarbeit etwa so hassten wie meine Eltern. An den Kühlschränken hingen Pläne, auf denen stand, wer mit dem Einkaufen, Kochen und Abwaschen dran war, und nie wurden die Pläne eingehalten, nie war der Müll runtergebracht oder das Klo geputzt, und nicht nur die Pläne waren ein Problem, sondern die Kühlschränke selbst, an denen diese sinnlosen Pläne hingen, waren mindestens solche Bomben wie das Rutschauto zwischen Adam und mir, weil Bewohner von Wohngemeinschaften offenbar allesamt nachts den Drang hatten, zum Kühlschrank zu schleichen, der nur zur Hälfte ein Gemeinschaftskühlschrank war; diese Hälfte war wegen der nicht eingehaltenen Pläne meistens nicht gut bestückt, aber die andere Hälfte war privatisiert; es waren Namensschildchen in den Kühlschränken angebracht, und hinter diesen Namensschildchen sammelten die einzelnen Bewohner jene Viktualien, die sie nur für sich selbst angeschafft hatten, und natürlich erregten genau diese Lebensmittel die Neugier und den Neid der anderen, und in allen Wohngemeinschaften, die ich kannte, entwickelten die Bewohner die besondereAngewohnheit, ausgerechnet nachts an die Kühlschränke zu schleichen und die Leberwurst oder den Camembert zu inspizieren und gegebenenfalls zu vertilgen, die von ihren Mitbewohnern per Namensbeschilderung als deren Privateigentum gekennzeichnet waren. Und immer wenn mich jemand gefragt hatte, ob ich nicht in seine Wohngemeinschaft ziehen wollte, es sei gerade ein Zimmer frei, hatte ich gedacht, dass ich lieber morgens in Ruhe aufstehen und Kaffee trinken wollte, als jeden Morgen nicht zu wissen, ob ich diesen Kaffee im Kühlschrank überhaupt noch finden würde und anschließend ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt würde einleiten müssen, ohne Kaffee getrunken zu haben.
Bevor ich eingewilligt hatte, mit nach Ilmenstett zu ziehen, hatte ich angedeutet, dass wir vielleicht besser zwei Kühlschränke haben sollten, und zu meiner Erleichterung hatte Fritzi es selbstverständlich gefunden, dass wir zwei Kühlschränke und überhaupt zwei Haushalte haben sollten, damit sie wenigstens stundenweise Ruhe vor meinen entzückenden Blagen hätte. Sie hatte vorgeschlagen, die Räume des ersten Stocks zu nehmen, weil wir wegen der Kinder und der Buggys und Rutschautos besser im Erdgeschoss wohnten, und oben wäre dann Platz für die Praxis.
Ungefähr das sagte ich meiner Mutter, als sie von der WehGeh anfing, aber sie ließ noch immer nicht locker.
Psychologin ist deine Freundin also, sagte sie.
Ich sagte nicht, dass Fritzi so ziemlich alles, was sie an der Uni gelernt hatte, für Rattenpsychologie gehalten hatte,
Weitere Kostenlose Bücher