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Das Land der Pelze

Das Land der Pelze

Titel: Das Land der Pelze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Wahnwitzigen zurückzuhalten. Der Unglückliche, den seine fixe Idee einmal erfaßt hatte, schüttelte abwehrend den Kopf.
    Vermochte man wohl diesem Geisteskranken Vernunft beizubringen? Nein! Und wie leicht konnte sein Beispiel ansteckend sein! Wer weiß, ob nicht so manche Kameraden Kellet’s, die im höchsten Grade entmuthigt und verzweifelt waren, seinen Selbstmord nachahmten? Um jeden Preis mußte also das Vorhaben jenes Unglücklichen verhindert werden.
    »Kellet, sagte da Mrs. Paulina Barnett mit sanftester Stimme und halb lächelnd, sind Sie mein guter und offenherziger Freund?
    – Ja, Madame, erwiderte Kellet ruhig.
    – Nun gut, Kellet; wenn Sie wollen, werden wir zusammen in den Tod gehen, … aber heute noch nicht.
    – Madame! …
    – Nein, mein wackerer Kellet, dazu bin ich nicht vorbereitet; doch morgen, wollen Sie morgen …«
    Fester als je sah der Soldat der beherzten Frau in’s Gesicht; einen Augenblick schien er zu zweifeln, warf einen wilden Blick über das glitzernde Meer, strich sich mit der Hand über die Augen und murmelte:
    »Also morgen!«
    Dann mischte er sich wieder ruhig unter seine Genossen.
    »Der arme Unglückliche! sprach Mrs. Paulina Barnett für sich, bis morgen habe ich ihn zu warten vertröstet, wer weiß, ob wir bis dahin nicht Alle schon versunken sind?«
    Die ganze folgende Nacht verbrachte Jasper Hobson am Ufer. Er überdachte hin und her, ob es nicht ein Mittel gebe, die Auflösung der Insel so lange hinzuhalten, bis sie ein Land erreichte.
    Mrs. Paulina Barnett und Madge wichen keinen Augenblick von einander. Kalumah lag auf dem Boden, wie ein Hund vor seiner Herrin, und suchte diese zu erwärmen. Mrs. Mac Nap war, bedeckt mit einigen Pelzen, den Ueberbleibseln der Reichthümer aus der Factorei, ihr Kind am Herzen eingeschlummert.
    Mit unvergleichlicher Reinheit erglänzten die Sterne. Die Schiffbrüchigen lagen da und dort hingestreckt, unbeweglich wie Leichname. Kein Geräusch unterbrach diese fürchterliche Ruhe. Nur die Wellen hörte man, wie sie die Scholle abnagten, und dann und wann ein Abbröckeln und Nachbrechen, dessen Ausdehnung man aus dem begleitenden trockenen Tone errieth.
    Manchmal richtete sich der Sergeant empor und sah rings um sich, als könnten seine Augen die Finsterniß durchbohren, aber bald fiel er wieder in seine horizontale Lage zurück. An dem äußersten Ende der Scholle erschien der Bär wie eine unbewegliche, große Schneemasse.
    Auch diese Nacht verstrich, ohne daß sich in der allgemeinen Lage etwas Wesentliches änderte; nur nahmen die niedrigen Morgennebel nach Osten zu eine leichte Färbung an. Einige Wolken im Zenith zehrten sich auf und bald vergoldeten die Strahlen der Sonne die Wellen des endlosen Meeres.
    Des Lieutenants erste Sorge war es, die Scholle ringsum zu untersuchen. Ihr Umfang erschien noch weiter verkleinert, ernstlicher fiel aber der Umstand in’s Gewicht, daß auch ihre mittlere Höhe über dem Wasser geringer wurde. Selbst die jetzt so schwache Bewegung der Wellen reichte hin, sie theilweise zu bedecken. Nur der Gipfel der kleinen Erhöhung blieb eigentlich noch frei von Wasser.
    Auch Sergeant Long hatte seinerseits die Veränderungen während der vergangenen Nacht in’s Auge gefaßt. Die Fortschritte der Auflösung traten so deutlich zu Tage, daß ihm jede Hoffnung schwand.
    Mrs. Paulina Barnett wandte sich zu Lieutenant Hobson.
    »Madame, fragte sie dieser, werden Sie heute das Versprechen halten, das Sie Kellet gegeben haben?
    – Herr Hobson, erwiderte in fast feierlichem Tone die Reisende, haben wir Alles gethan, was in unseren Kräften stand?
    – Alles, Madame!
    – Nun, dann geschehe der Wille des Herrn!«
    Doch sollte im Laufe dieses Tages noch ein letzter verzweifelter Rettungsversuch gemacht werden. Von Nordwesten her wehte eine mäßige Brise gerade nach der Richtung hin, in welcher das nächste Land, die Inselgruppe der Aleuten, liegen mußte.
    Wie weit es bis dahin war, konnte man freilich nicht sagen, da die Lage der Scholle aus Mangel an Instrumenten nicht hatte bestimmt werden können. Wahrscheinlich konnte sie, vorausgesetzt, daß ihr keine Meeresströmung zu Hilfe gekommen, nicht weit weggetrieben sein, da sie dem Winde ja fast gar keine Angriffspunkte darbot.
    Immerhin blieb diese Frage offen. Wenn die Scholle nun doch dem Lande näher war, als man ahnte! Wenn eine Strömung sie nach den so sehr ersehnten Aleuten getragen hatte! Jetzt wehte der Wind dorthin und mußte das Eisstück schnell

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