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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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dich, Eure Hoheit, und hör mit dem Gezappel auf, es kribbelt mich schon überall, wenn ich dir nur zusehe.« Prinz Lír setzte sich ihr gegenüber an den Tisch, zog seinen Dolch aus dem Gürtel und fing verdrossen an, Kartoffeln zu schälen. Molly betrachtete ihn mit einem verhaltenen Lächeln.
    »Ich hab ihr den Kopf gebracht. Sie war in ihrem Zimmer, wie gewöhnlich. Ich schleppte diesen Kopf die ganzen Treppen rauf, um ihn ihr zu Füßen zu legen.« Er seufzte und schnitt sich mit dem Dolch in den Finger. »Verflucht! Es hat mir nichts ausgemacht. Den ganzen Weg die Treppen hinauf war es ein Drachenkopf, das stolzeste Geschenk, das man einem Menschen machen kann. Doch als sie ihn ansah, da war es plötzlich nur noch ein kläglicher Mischmasch aus Hörnern und Schuppen, knorpeliger Zunge und blutigen Augen. Ich fühlte mich wie ein Bauernmetzger, der seinem Schatz einen netten Klumpen frisches Fleisch als Liebesbeweis bringt. Und dann hat sie mich angeschaut – und es tat mir leid, dass ich das Ding erschlagen hatte. Es hat mir leid getan, einen Drachen getötet zu haben!« Er hieb nach einer glitschigen Kartoffel und schnitt sich zum zweiten Mal.
    »Schäl von dir weg, nicht zu dir her«, riet ihm Molly. »Weißt du, ich denke, du solltest aufhören, für die Lady Amalthea Drachen zu töten. Wenn fünf ihr Herz nicht bewegt haben, dann tut einer mehr es wahrscheinlich auch nicht. Versuch doch etwas anderes.«
    »Was auf der Welt hab ich denn noch nicht versucht!«, rief Prinz Lír. »Vier Flüsse habe ich durchschwommen, keiner unter einer Meile breit und stets bei Hochwasser. Sieben Berge habe ich bestiegen, die noch von keinem bezwungen wurden, drei Nächte habe ich im ›Sumpf der Gehängten‹ geschlafen und ich bin lebend aus dem Wald gekommen, in dem einem die Blumen die Augen verbrennen und die Nachtigallen Gift singen. Ich habe mein Verlöbnis mit der Prinzessin gelöst, und wenn du denkst, das sei keine Heldentat, dann kennst du ihre Mutter nicht! Fünfzehn schwarze Ritter habe ich besiegt, die in fünfzehn schwarzen Pavillons an fünfzehn Furten warteten, um jeden, der übersetzen wollte, zum Zweikampf zu fordern. Und was die Hexen in ihren undurchdringlichen Wäldern betrifft, die Riesen und Ungeheuer, die als Damen verkleideten Dämonen, die Glasberge, tödlichen Rätsel und Zauberäpfel, die Wunderlampen und -ringe, die Siebenmeilenstiefel, Wunschhütlein und Tarnkappen: Längst habe ich es aufgegeben, sie zu zählen. Ganz zu schweigen von den Geflügelten Pferden, Basilisken und Seeschlangen und der übrigen Menagerie.« Er hob den Kopf, seine dunkelblauen Augen sahen verwirrt und traurig aus.
    »Alles umsonst, ich kann sie nicht beeindrucken, mit nichts, was ich auch tue. Um ihretwillen bin ich ein Held geworden, ich, der verschlafene Lír, meines Vaters Scham und Spott. Doch was die Lady Amalthea angeht, so hätte ich genau so gut der tumbe Tor bleiben können, der ich war. Meine Heldentaten bedeuten ihr nichts.«
    Molly nahm ihr eigenes Messer und schnitt Paprika in Würfel und Streifen. »Vielleicht kann man die Lady Amalthea nicht mit Heldentaten erobern«, sagte sie nach einer Weile. Der Prinz sah sie an, seine Stirn runzelte sich vor Verwunderung.
    »Gibt es denn einen anderen Weg, das Herz einer Jungfrau zu gewinnen?«, fragte er eifrig. »Molly, weißt du einen anderen Weg? Bitte, sag ihn mir!« Er beugte sich über den Tisch und ergriff ihre Hand. »Es gefällt mir eigentlich ganz gut, tapfer zu sein, doch werde ich gern wieder ein fauler Feigling, wenn du denkst, das wäre besser. Ihr Anblick gibt mir das Gefühl, ich müsste alles Böse und Hässliche bekämpfen, doch dann möchte ich auch wieder ruhig dasitzen und unglücklich sein. Was soll ich nur tun, Molly?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, plötzlich verlegen. »Freundlichkeit, Höflichkeit, gute Taten, solche Sachen, und vor allem Humor.« Eine kleine, aschgrau und fuchsrot gestromte Katze mit einem verkrümmten Ohr sprang in ihren Schoß, schnurrte ohrenbetäubend und rieb sich heftig an ihrer Hand. In der Hoffnung, das Thema zu wechseln, fragte Molly: »Was war denn mit deinem Pferd? Weshalb war das so seltsam?«
    Doch Prinz Lír starrte die kleine Katze mit dem verkrümmten Ohr an. »Wo kommt denn die her? Gehört sie dir?«
    »Nein, ich füttere sie nur und halte sie ab und zu auf meinem Schoß.« Sie streichelte den mageren Hals der Katze, die wohlig ihre Augen schloss. »Ich dachte, sie gehört zum Haus.«
    Lír

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