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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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alle meine Schlüssel sind. Bitte. Und übrigens, ich brauche auch mein Auto. Ich werde einfach meinen Wagen nehmen, und du kannst den Koffer drin lassen.« Ich bin verwirrt.
    Er zögert. »Du kannst deinen Wagen nicht nehmen.«
    »Verdammt noch mal!«, bricht es aus mir heraus. »Erzähl mir bloß nicht, dass sie auch den Wagen untersuchen müssen. Das ist doch Wahnsinn.«
    »Hör mal. Als gestern Abend dein Alarm zum ersten Mal losging, hat irgendjemand versucht, in deine Garage einzubrechen.«
    »Was heißt hier irgendjemand?«, erwidere ich, während Migräneschmerzen in meinen Schläfen pochen und mein Sehvermögen trüben. »Wir wissen genau, wer es war. Er hat meine Garagentür mit Gewalt aufgestemmt, weil er wollte, dass die Alarmanlage losgeht. Er wollte, dass die Polizei kommt. Damit es nicht komisch aussieht, wenn sie wenig später noch einmal auftaucht, weil angeblich ein Nachbar jemanden gesehen hat, der sich auf meinem Grundstück herumtreibt.«
    Es war Jean-Baptiste Chandonne, der zurückkam. Er gab sich als Polizei aus. Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich darauf hereingefallen bin.
    »Wir haben noch nicht alle Antworten«, sagt Marino.
    »Warum habe ich immer wieder das Gefühl, dass du mir nichts glaubst?«
    »Du solltest jetzt zu Anna und dich ausschlafen.«
    »Er hat mein Auto nicht angefasst«, versichere ich ihm. »Er war überhaupt nicht in meiner Garage. Ich will nicht, dass sie mein Auto anrühren. Ich will damit fahren. Lass den Koffer im Kofferraum.«
    »Du kannst heute nicht damit fahren.«
    Marino geht hinaus und schließt die Tür hinter sich. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als einen Drink, um die elektrischen Impulse in meine m zentralen Nervensystem zu betäuben, aber was soll ich tun? Zur Bar marschieren und den Polizisten sagen, sie sollen machen, dass sie wegkommen , während ich nach dem Scotch suche? Zu wissen, dass der Alkohol meinen Kopfschmerzen nicht gut tun würde, nützt nichts. Ich fühle mich so unwohl in meiner Haut, dass mir völlig egal ist, was mir helfen oder schaden würde. Ich krame in den Schubladen im Badezimmer, mehrere Lippenstifte fallen zu Boden und rollen zwischen Toilette und Badewanne. Ich schwanke, als ich mich bücke, um sie aufzuheben, taste unbeholfen mit meinem rechten Arm herum. All das fällt mir umso schwerer, als ich Linkshänderin bin. Ich betrachte die auf dem Toilettentisch ordentlich aufgereihten Parfüms und nehme vorsichtig die kleine goldfarbene Metallflasche von Hermes 24 Faubourg in die Hand. Sie fühlt sich kühl an. Ich führe den Sprühkopf an die Nase, der würzige, erotische Duft, den Benton Wesley so liebte, treibt mir Tränen in die Augen, und mein Herz scheint tödlich aus dem Rhythmus fliegen zu wollen. Ich habe das Parfüm seit über einem Jahr nicht mehr benutzt, nicht seit Benton ermordet wurde. Und jetzt bin ich ermordet worden, sage ich, betäubt von rasenden Kopfschmerzen, in Gedanken zu ihm. Und ich lebe noch, Benton, ich lebe noch. Benton, du warst doch Profiler beim FBI, ein Experte, wenn es darum ging, die Psyche von Monstern zu sezieren und ihr Verhalten zu deuten und vorherzusagen. Du hättest doch, was passiert ist, vorausgesehen, nicht wahr? Du hättest es vorhergesagt und verhindert. Warum warst du nicht da, Benton? Wenn du da gewesen wärst, würde ich mich jetzt nicht so elend fühlen.
    Ich merke, dass jemand an meine Schlafzimmertür klopft. »Einen Augenblick«, rufe ich, räuspere mich und wische mir die Augen. Ich klatsche mir kaltes Wasser ins Gesicht und stecke das Hermes-Parfüm in die Tasche. Dann gehe ich zur Tür in der Erwartung, dass Marino davorsteht. Stattdessen ist es Jay Talley in einem ATF-Kampfanzug und mit einem Ein-Tages-Bart, der seiner dunklen Schönheit etwas Finsteres verleiht. Er ist einer der bestaussehenden Männer, die ich kenne, sein Körper eine exquisite Skulptur, seine Poren verströmen Sinnlichkeit wi e Moschus.
    »Ich wollte nur nach dir sehen, bevor du gehst.« Seine Augen bohren sich in meine. Sie scheinen mich zu ertasten und zu erforschen, wie es seine Hände und sein Mund vor vier Tagen in Frankreich taten.
    »Was soll ich sagen?« Ich lasse ihn in mein Schlafzimmer, und plötzlich ist mir mein Aussehen peinlich.
    Ich will nicht, dass er mich so sieht. »Ich muss aus meinem eigenen Haus raus. Weihnachten steht vor der Tür. Mein Arm tut mir weh. Mein Kopf auch. Ansonsten bin ich in Ordnung.«
    »Ich fahre dich zu Dr. Zenner. Darf ich, Kay?« Irgendwo in meinem Kopf

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