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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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herabstürzten, um ihn zu verbrennen.
    Einen Moment war er versucht, die Seite einfach herauszureißen und wegzuschmeißen, dann blätterte er weiter zu der Skizze des Discogirls und des seltsamen Mr Seymour. Keine schlechten Studien, wie er zugeben musste: Er hatte den Journalisten in seinem Bademantel umringt von religiösen Symbolen gezeichnet. Ganz in der Art der Manga wehte sein Mantel übergroß im Wind. Er nahm beinahe den ganzen Raum ein und breitete sich wie ein düsteres Grabtuch um den halbblinden Mann aus. Wie ein Fürst aus der Unterwelt streckte Seymour seine langen Finger nach fliegenden Karteikästen und dem alten Telefon aus.
    Ian schloss das Heft und zog die Krankenakte aus dem Rucksack, die Wesley ihm gegeben hatte. Sie war auf den 12. Januar 1981 datiert. Offenbar war sie nur ein paar Tage nach der Einberufung seines Vaters angelegt worden oder knapp zwei Wochen nach den angeblichen Ufo-Sichtungen, wie Ian feststellte. Er sah sich einen Moment lang das Passbild seines Vaters an, das mit einer Büroklammer an den Bericht geheftet worden war. Es war eigenartig, denn Ian hatte das Gefühl, sich selbst zu betrachten. Kein Wunder, dachte er, mein Vater ist auf dem Bild nur drei Jahre älter als ich heute.
    Das Gefühl, seinem Vater in jungen Jahren in die Augen zu sehen, bereitete ihm Unbehagen. Obwohl er ihn nie kennengelernt hatte, bekam sein Vater mehr und mehr Konturen. Thomas Boroughs – der Ehemann und Bankier, der Vater und Wissenschaftler, der Mann mit den zwei Existenzen – war nicht nur interessanter für Ian geworden, er hatte auch etwas Wahrhaftiges bekommen.
    Was hatte Seymour gesagt? Er habe auffallend wenig gefunden und der Lebenslauf seines Vaters wirke zu glatt. Nun hatte Ian ihn nicht nur durch ein paar Recherchen aufgeraut – er hatte ihn regelrecht in zwei Teile zersplittert.
    Er überflog die Papiere. Schnell stellte er fest, dass es keine Krankenberichte, sondern die Notizen einer Psychiaterin waren. Zwar verstand Ian wenig von dem Fachchinesisch, doch dass die Akte über 320 Seiten zählte, sprach für sich.
    Die erste Mappe begann mit einem Formblatt, an dem das Passfoto klemmte. Sie ging von 1981 bis 1993, dem Jahr, in dem die Basis geschlossen wurde.
    Über zwölf Jahre lang hatte Thomas Boroughs jeden zweiten Monat einen Termin bei einer gewissen Dr. Amy Stratton gehabt. Während sie die ersten Stunden ausführlich in Handschrift festgehalten hatte, fanden sich am Ende der Mappe nur noch wenige Einträge. Immer wieder sprangen Ian die Worte „paranoide Schizophrenie“ entgegen. Es ärgerte ihn, dass Dr. Stratton seinen Vater für krank erklärt hatte. Vielleicht hatte er aber auch nur Angst, selbst als verrückt zu gelten.
    Warum hatte sein Vater diese Frau immer wieder aufgesucht, wenn sie ihm nicht glaubte, dass es die Geister wirklich gab?
    Seufzend legte Ian die Akte beiseite und schloss für einen Moment die Augen.
    „Bpm? Alles klar da drinnen?“ Ian ging zum Bad und klopfte. Nachdem er keine Antwort erhielt, griff er nach der Klinke.
    Sie war ungewöhnlich warm und schien in seiner Hand noch heißer zu werden. Mit einem überraschten Aufschrei ließ er sie los und trat die Tür auf. Ein Schwall heißer Luft strömte ihm entgegen. Er hat nicht abgeschlossen, schoss es ihm durch den Kopf. Da sah er Bpm. Schreiend taumelte Ian zurück. Er bekam keine Luft mehr.
    Bpm lag auf dem Boden. Er war vollkommen schwarz. Nur noch Kohle.
    Ian wurde schlecht. Er knallte gegen den Türrahmen und sein Blick fiel nach oben. In dem kleinen Bad wuchs ein Geist aus der Decke. Entsetzt starrte er das Wesen an und spürte, wie seine Haut zu brennen begann, als das Licht auf ihn zuschoss.
    Er erwachte schreiend.

42
Polizeipräfektur, Shinjuku City- Zentral Tokio,
Japan
    „Der Anwalt kommt gleich. Er steckt noch im Stau.“ Die blonde Beamtin mit den europäischen Gesichtszügen und dem Designerhosenanzug warf Chiyo einen missbilligenden Blick zu. Seit sie eingetroffen waren, saß Chiyo auf ihrer Sporttasche in der hintersten Ecke des Raumes. Sie hatte weder den Kaffee, den ihr die Frau gebracht hatte, noch den Stuhl vor dem Tisch angerührt.
    „Du kannst ruhig etwas entspannen. Kommissar Kenichi-San wird dich erst befragen, wenn er mit der Aufnahme der forensischen Details fertig ist.“
    „Forensische Details“, äffte Chiyo die Beamtin nach und dachte gar nicht daran, von ihrer Sporttasche aufzustehen. „ Entspannen … Sie sind witzig. Na, wirklich, ich lach mich gleich

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