Das Licht, das toetet
den Raum verlassen. Chiyo hörte, wie die elektrische Verriegelung der Tür einrastete, dann war sie allein.
Sie hatte immer gedacht, ein Verhörzimmer müsse einen großen, halbdurchsichtigen Spiegel haben. Wie in den Blockbuster-Movies, die sie mit ihrem Freund so gerne sah. Doch hier konnte sie keinen Spiegel entdecken. Es hing lediglich eine kleine Kamera unter der Decke, deren Bilder vermutlich über einen der unzähligen Monitore der Bereitschaft flimmerten. Wahrscheinlich sollte die Kamera die Verdächtigen nur davon abhalten zu randalieren oder sich etwas anzutun. Die Kamera war ein billiges Fabrikat aus dem Baumarkt. Es sah aus, als wäre die Kamera erst nachträglich eingebaut worden, denn die Kabel verliefen sichtbar auf der Wand. Sie besaß kein Froschauge, wie Chiyo mit einem Seitenblick registrierte. Wahrscheinlich konnte sie nur drei Viertel des Raumes einsehen.
Gelangweilt blickte sie zur Decke, die bestimmt über vier Meter hoch war. Zwei Reihen Neonröhren, ein paar hellweiß, einige gelbstichig, verliefen dicht unter der Decke. Standard-Plastikverkleidung. Zwischen den Röhren war der Lüftungsschacht eingelassen. Ein schlichter Metallrahmen, der halb so groß war wie der Tisch, vor dem sie saß. Der Schacht war mit breiten Lamellen verkleidet, die drei bis vier Zentimeter auseinander standen, damit die Luft durchströmen konnte.
Konzentriert tigerte Chiyo auf und ab, tat, als würde sie trinken, doch jedes Mal, nachdem sie die Flasche abgesetzt hatte, klopfte sie mit ihr leise die Wand ab. Falls ein Beamter sie auf seinem Monitor beobachtete, würde er sie nur für einen frustrierten Teenager halten. Die Wand an der Tür hörte sich nach Rigips an, wahrscheinlich mit U-Profilen verstärkt. Die anderen Wände waren aus festem Mauerwerk, vermutlich aus Beton. Vom Straßenlärm her zu urteilen, handelte es sich bei der linken Wand um eine Außenmauer.
Egal. Erneut setzte sie sich und dachte gründlich nach. Wenn sie sich nicht durch die Wand hacken wollte, blieb nur der Lüftungsschacht. Er war breit genug, um sich hineinzuzwängen. Das Problem war nur, dass er viel zu hoch angebracht war. Selbst wenn sie sich auf den Tisch stellte, würde sie die Lamellen nicht erreichen können. Neben der Lüftung führte ein Wasserrohr für die Sprinkleranlage entlang. Wenn sie es richtig erkannte, war das Rohr mit dicken Schellen angebracht worden und hing ein paar Zentimeter unter der Decke. Mit ein bisschen Glück würde es reichen.
Chiyo ging präzise vor. Sie schnappte ihre Sporttasche, tat, als suche sie einen neuen Sitzplatz, und ließ sie – ganz zufällig – im toten Winkel der Kamera fallen. Dann holte sie in aller Seelenruhe den Plastikbeutel, zog die PSP und Gexx heraus und tauchte in den toten Winkel ein.
Den Gürtel und die Ohrringe hatte die Hosenanzugträgerin ihr abgenommen, aber sie hatte vergessen, ihr das Piercing aus dem Bauchnabel zu ziehen. Chiyo löste es und zog die silberne Nadel aus der Haut.
Die Leitungen auf dem Putz, die zur Kamera führten, bestanden aus einem Videokabel und der Stromversorgung. Mit einem leichten Ruck riss Chiyo das Kabel für den Strom aus den Wandklemmen und ritzte es vorsichtig mit ihrer Piercing-Nadel auf.
43
„Es war schwer, dir zu glauben, Ian. Ich dachte, du bist einfach ein bisschen …“ Bpm tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. Im Knien las er blutige Tücher vom Boden auf, da er sich wegen der Wunde nicht bücken konnte.
„Na, danke.“
„Bitte, mein Freund.“
Ian wühlte in seinen Sachen und zog ein zerknautschtes T-Shirt hervor, das inzwischen den Geruch des Armee-Rucksacks angenommen hatte. Widerwillig streifte er sich das müffelnde Shirt über den Kopf. Voll Wehmut dachte er an zu Hause, an sein Zimmer, sein Bett und den vollgestopften, duftenden Kleiderschrank. Mit einem Mal hatte er den Geruch von Olivias Cottage Pie in der Nase, den sie mit Paprika verfeinerte.
„Langsam hab ich das Gefühl, dass ich verrückt werde“, sagte Bpm. „Ich dachte, dein Vater hat sich damals in irgendetwas Illegales verstrickt, aber so eine Nummer … Ich meine, erst jagen wir deinen Visionen nach, dann werden wir bedroht und es stellt sich heraus, dass dein Vater ein Doppelleben geführt hat. Und nun sind wir beim Militär mit Geheimexperimenten und Aliens. Und zwei Killern, die wahrscheinlich irgendwelche geheimen Papiere suchen.“
„Ich weiß“, entschuldigte sich Ian. „Es klingt immer verrückter.“ Schweißgebadet war er im
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