Das Licht Von Atlantis
still in Mumienbinden gelegen hatte, kämpfte jetzt ein Gott gegen seine Fesseln.
Dann sah Deoris nur noch kreisende Lichter, in die sie kopfüber hineinfiel. Sie merkte kaum, dass Riveda sie packte; sie war unfähig, ein Glied zu rühren, war höchstens halb bei Bewusstsein, ihr wahres Ich war untergegangen im Starren des Mannes mit den gekreuzten Händen, ihre Augen waren geblendet von dem Feuerwerk, das über ihnen flammte. Riveda hob sie hoch und legte sie auf den Altar, der befleckt von dem Blut des Kindes war, und Deoris spürte mit einem flüchtigen Schauder den kalten, feuchten Stein, auf den sie niedergezwungen wurde.
Er ist nicht tot! dachte sie, ohne damit irgend etwas auszurichten, er darf nicht tot sein, Riveda hat ihn nicht getötet, es ist alles gut, wenn Larmin nicht tot ist...
Wie von einer tiefen, dunklen Woge nach oben getragen, tauchte Deoris plötzlich ins Bewusstsein empor. Sie verspürte Kälte, und ihre halb geheilten Brandwunden schmerzten. Das Feuer auf dem Altar war verlöscht; der Mann mit den gekreuzten Händen war nichts weiter als verschleierte Dunkelheit.
Riveda, nun wieder ruhig, hob sie vorsichtig vom Altar. Mit seiner normalen, ernsten Gelassenheit half er ihr, ihre Kleider in Ordnung zu bringen. Sie fühlte sich verletzt, schwach und krank, stolperte auf den eisigen Steinen und stützte sich schwer auf Riveda - und sie erriet richtig, dass er an eine andere Nacht in dieser Krypta dachte, die Jahre zurücklag.
Irgendwo im Labyrinth schluchzte ein Kind vor Schmerz und Angst. Seine Gefühle schienen so sehr ihre eigenen zu sein, dass sie ihr Gesicht befühlte, um sich zu vergewissern, dass nicht sie weinte.
An der Tür des Raums, in dem sie während ihrer langen Krankheit gelegen hatte, blieb Riveda stehen, winkte der alten Taubstummen und gab ihr in Zeichensprache Befehle.
Er drehte sich zu Deoris um und sagte mit einer kalten Förmlichkeit, die ihr ins Herz schnitt: »Morgen wirst du nach oben geführt werden. Fürchte dich nicht, Demira zu vertrauen, aber sei vorsichtig. Denke daran, was ich dir gesagt habe, besonders in bezug auf deine Schwester Domaris!« Dies eine Mal um Worte verlegen, hielt er inne. Plötzlich und unerwartet sank der Adept vor dem erschrockenen Mädchen auf die Knie. Er ergriff ihre eisige Hand, führte sie an seine Lippen und dann an sein Herz.
»Deoris«, stammelte er, »o meine Deoris -«
Schnell ließ er ihre Hand wieder los, erhob sich und war verschwunden, bevor das Mädchen ein einziges Wort herausbringen konnte.
IV. Riveda
»...Allgemein wird angenommen, dass das Gute dazu neigt, zu wachsen und sich zu erhalten, während das Böse dazu neigt zu wachsen, bis es sich selbst zerstört. Aber vielleicht sind unsere Definitionen nicht fehlerfrei - denn wäre es schlecht für das Gute zu wachsen, bis es das Böse aus der Existenz gedrängt hat?
...Jeder wird mit einem Vorrat an Wissen geboren, von dem er nicht weiß, dass er ihn besitzt... Der menschliche Körper aus Fleisch und Blut, der sich von Pflanzen und ihren Früchten und tierischem Fleisch ernähren muss, ist keine geeignete Behausung für den ewigen Geist, der uns bewegt. Deshalb müssen wir sterben. Aber irgendwo in der Zukunft liegt die Zusicherung eines Körpers neuer Art, der die Steine überdauert, der nicht stirbt... Die Dinge, die wir lernen, schlagen Funken, und die Funken entzünden Feuer, und der Schein des Feuers enthüllt seltsame Dinge, die sich in der Dunkelheit bewegen... Die Dunkelheit kann dich Dinge lehren, die das Licht nie gesehen hat und niemals zu sehen fähig sein wird...
Nicht willens, eine bloß mineralische Existenz fortzuführen, waren die Pflanzen die ersten Rebellen. Aber die Freuden einer Pflanze sind auf die Anzahl von Wegen beschränkt, auf denen sie die das Reich der Minerale regierenden Gesetze umgehen kann... Es gibt giftige Minerale, die Pflanzen und Tiere und Menschen töten können. Es gibt giftige Pflanzen, die Tiere und Menschen töten können. Es gibt giftige Tiere (meistens Reptilien), die Menschen töten können - aber der Mensch ist nicht fähig, die Vergiftungskette fortzusetzen, denn auch wenn er andere Wesen zu vergiften vermag, hat er doch nie ein Mittel entwickelt, um die Götter zu vergiften...«
Aus dem Kodex des Adepten Riveda
1. EINE TRAUMWELT
»Aber warum, Domaris, warum?« fragte Deoris. »Warum hasst du ihn so?«
Die Schwestern saßen auf einer Steinbank am Teich. Domaris lehnte sich zurück, zupfte ein niedergefallenes
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