Das Licht Von Atlantis
doch!« rief Deoris. »Du bist - bist - ich hasse dich!« Sie sprang auf und rannte aus dem Garten, ohne sich noch einmal umzusehen. Domaris wollte schon aufstehen und ihr folgen, doch seufzend ließ sie sich zurücksinken.
Was hätte es für einen Sinn? Sie fühlte sich matt und erschöpft und hatte gar keine Lust, auf die Launen ihrer Schwester einzugehen. Zur Zeit kam sie mit ihrem eigenen Leben kaum zurecht - wie sollte sie das ihrer Schwester in die Hand nehmen?
Als Domaris Micons Kind erwartete, hatte sie eine seltsame Ehrfurcht vor ihrem Körper empfunden. Nicht einmal das Wissen, dass Micons Schicksal ihnen wie ein Schatten folgte, hatte ihre Freude beeinträchtigt. Diese Schwangerschaft war anders, sie war ihre Pflicht, sie löste damit ein verpfändetes Wort ein. Und so freute sie sich nicht, sondern fügte sich. Sie hatte Schmerzen, sie hatte Angst, und Mutter Ysoudas Worte hallten in ihren Gedanken wider. Für Arvaths ungeborenen Sohn empfand sie eine schuldbewusste, reumütige Liebe - als habe sie ihm dadurch, dass sie ihn empfangen hatte, ein Unrecht angetan.
Warum ist Deoris so seltsam? Vielleicht ist es nicht Rivedas Kind, und sie hat Angst vor ihm...? Domaris schüttelte den Kopf. Dies Rätsel konnte sie nicht lösen.
Bestimmte kleine, aber unmissverständliche Zeichen hatten ihr den Zustand ihrer Schwester verraten, und es verletzte sie, dass Deoris diese Tatsache leugnete. Die Lüge selbst war ihr nicht wichtig, aber der Grund für die Lüge quälte sie.
Was habe ich nur getan, dass meine eigene Schwester mir ihr Vertrauen verweigert?
Mit einem kleinen Seufzer stand sie auf und ging schwerfällig auf den Torbogen zu, der ins Gebäude führte. Sie machte sich bittere Vorwürfe, dass sie Deoris vernachlässigt hatte. Erst war sie ganz von ihrer Trauer um Micon erfüllt gewesen - dann waren ihre Heirat gekommen und die lange Krankheit, die dem Verlust ihres zweiten Kindes folgte - und auch ihre Tempelpflichten nahmen ihr viel Zeit weg. Trotzdem hätte sie Deoris irgendwie bei ihren Problemen helfen müssen.
Rajasta hat mich vor Jahren gewarnt, dachte Domaris traurig. Hat er das alles vorhergesehen? Hätte ich doch nur auf ihn gehört! Wenn Deoris kein Vertrauen mehr zu mir hat - Domaris versuchte, sich selbst Mut zu machen. Deoris ist ein seltsames Mädchen, sie ist immer rebellisch gewesen. Und sie war so krank, vielleicht hat sie nicht wirklich gelogen, vielleicht weiß sie es selbst nicht, hat über die körperlichen Folgen gar nicht nachgedacht. Das sähe Deoris ähnlich!
Einen Augenblick lang sah Domaris den Garten durch plötzliche Tränen in Regenbogenfarben.
In den letzten Monaten hatte Deoris nur für den Augenblick gelebt und weder an die Zukunft gedacht noch sich Erinnerungen hingegeben. Sie trieb auf der Oberfläche der Ereignisse dahin, nur wenn sie schlief, plagten sie Träume von jener Nacht in der Krypta. Es waren so viele schreckliche Alpträume, dass es ihr beinahe gelang, sich einzureden, die blutige, blasphemische Beschwörung, alles, was sich dort ereignet hatte, sei nur ein weiterer, noch grässlicherer Traum gewesen.
Eine große Hilfe dabei war die Leichtigkeit, mit der sie die meisten der abgerissenen Fäden ihres Lebens wieder hatte anknüpfen können. Rivedas Geschichte war ohne Widerspruch von allen geglaubt worden.
Auf Domaris' Drängen war Deoris zu ihr in die Wohnung gezogen, die aber nicht mehr die gleiche war wie früher. Das Haus der Zwölf beherbergte nun eine neue Gruppe von Akoluthen; Domaris und Arvath bewohnten mit Elis und Chedan und einem dritten jungen Paar hübsche Wohnungen in einem anderen Gebäude. Hier war Deoris herzlich aufgenommen und in das Familienleben einbezogen worden. Bisher hatte Domaris ihr niemals Fragen über die letzten Jahre gestellt...
Ich hätte es mir denken müssen! dachte Deoris abergläubisch und erschauerte. Am Abend zuvor sehr spät hatte sich Demira heimlich in den Hof und in ihr Zimmer geschlichen und verzweifelt geflüstert: »Deoris - oh, Deoris, ich dürfte nicht hier sein, ich weiß, aber schick mich nicht weg, ich habe so schreckliche, schreckliche Angst...«
Deoris hatte das Kind mit zu sich ins Bett genommen und in den Armen gehalten, bis das verängstigte Weinen nachließ. Dann hatte sie ungläubig gefragt: »Was ist denn los, Demira, was ist geschehen? Ich werde dich nicht wegschicken, Schätzchen, ganz gleich, was es ist, du kannst es mir ruhig erzählen...« Sie sah das dünne, zusammengekrümmte
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