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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ihre runzeligen Hände um die schmale Taille des Kindes, führte es in den Kreis zurück und warf Riveda einen herausfordernden Blick zu.
    Rivedas Gesicht verdunkelte sich. Die Adeptin zuckte die Schultern. Behutsam schob sie Demira an eine andere und dann wieder an eine andere Stelle, bis Riveda plötzlich nickte, die Augen von Demira abwandte und ihre Anwesenheit offenbar sofort wieder vergaß.
    Noch einmal erklang das dissonante Wimmern von Flöten, Saiteninstrumenten und Gongs. Jetzt gab es keine Unterbrechungen mehr. Deoris sah mit einiger Bestürzung zu. Die Chelas antworteten auf die Musik mit einem kurzen Gesang. Für Deoris' Ohren war das alles so fremdartig, dass es ohne jede Bedeutung für sie blieb. Sie war an die erhabene Einfachheit der Riten im Tempel des Lichts gewöhnt, und diese lange Litanei aus Klängen und Gesten, aus Musik, Gesang und Responsorien war ihr unverständlich.
    Das ist albern , dachte Deoris, es ergibt überhaupt keinen Sinn . Oder etwa doch? Das Gesicht der Adeptin war mager, voll tiefer Furchen und verbraucht, obwohl sie eigentlich noch nicht alt wirkte. Rivedas Erscheinung vermittelte in dem ungünstigen Licht fast den Eindruck von Grausamkeit. Demiras phantastische silberhelle Schönheit schien unwirklich, eine Illusion, doch die kindlichen Züge waren entstellt von einem harten, boshaften Ausdruck. Plötzlich verstand Deoris, warum manche glaubten, in den Zeremonien des Grauen Tempels manifestiere sich das Böse...
    Der Gesang wurde lauter, schneller, ging in ein eintöniges Hämmern über. Dieselbe wimmernde, klagende Dissonanz kehrte immer wieder, hinter ihrem Rücken quäkte eine Pfeife wie ersticktes Schluchzen, eine Trommel rasselte unheimlich.
    Der Mann mit den gekreuzten Händen beobachtete sie.
    Weder damals noch später erfuhr Deoris, ob dieser Mann eine Statue, ein Leichnam oder ein Lebender war, ein Dämon, ein Gott oder ein Götzenbild. Auch sollte sie sich niemals klar darüber werden, wie viel von dem, was sie sah, nur Einbildung gewesen war...
    Die Augen des Mannes waren grau. Grau wie das Meer, grau wie das frostige Licht. Von seinem Blick bezwungen, versank Deoris in tiefe Abgründe, ging unter und ertrank.
    Der Vogel über dem Sessel schlug seine grauen Steinschwingen und flog mit hartem Kreischen zu einem Ort, wo es nichts gab als grauen Sand. Und dann lief Deoris dem Vogel nach, zwischen Felsnadeln und ihren Schatten hindurch, unter einem Himmel, der von den rauen Schreien der Möwen zerrissen wurde.
    Weit entfernt donnerte die Brandung. Deoris war in der Nähe des Meeres, an einem Ort zwischen Morgengrauen und Sonnenaufgang, einem Ort kalter Gräue ohne Farbe in Sand und See und Wolken. Kleine Muscheln zerbrachen knirschend unter ihren Sandalen. Sie nahm den fauligen Geruch von Salzwasser, Tang, Schilfrohr und Binsen wahr. Links von sich sah sie eine Gruppe von kleinen, kegelförmigen Häusern mit grau-weißen Spitzdächern, und es packte sie Entsetzen.
    Das Idiotendorf! Diese Erkenntnis überkam sie wie ein grauenhafter Schock, so dass sie den kurz aufflackernden Gedanken, sie habe dies Dorf doch noch nie gesehen, sofort wieder vergaß.
    Tödliche Stille herrschte zwischen den Schreien der Möwen. Zwei oder drei Kinder, deren große Köpfe mit weißen Haaren, roten Augen und sabbernden Mündern auf Rümpfen mit unförmig angeschwollenen Bäuchen saßen, kauerten lustlos zwischen den Häusern und quäkten und murmelten miteinander. Deoris' ausgedörrte Lippen vermochten den Schrei, der ihr die Brust zu sprengen drohte, nicht auszustoßen. Sie wandte sich zur Flucht, aber sie vertrat sich den Fuß und fiel. Als sie sich wieder aufraffen wollte, erblickte sie zwei Männer und eine Frau, die aus dem Türschlitz des nächstgelegenen Steinhauses kamen. Wie die Kinder hatten sie rote Augen und dicke Lippen und waren nackt. Der eine Mann zitterte vor Altersschwäche, der andere ertastete sich seinen Weg; seine Augen waren Klumpen aus Schmutz und Blut. Die Frau bewegte sich mit unbeholfenem Wackeln. Eine weit fortgeschrittene Schwangerschaft verlieh ihr eine tierische, urtümliche Hässlichkeit.
    In wildem, furchtbarem Entsetzen, aber unfähig, sich zu bewegen, hockte Deoris auf dem Sand. Die Idioten erhoben ihre quäkenden Stimmen und schnitten ihr Gesichter, ihre Hände scharrten in dem farblosen Sand. Deoris stand auf und sah sich in wahnsinniger Angst nach einem Fluchtweg um. Auf einer Seite wies eine hohe Mauer aus Felsnadeln sie zurück, auf der anderen

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