Dunkle Flut
1. Kapitel
DIE GEGENWART
Jaden kauerte auf den Knien, und der Raum um ihn herum schien sich zu drehen. Blut rann von seiner rechten Schläfe hinab und tropfte in kleinen purpurnen Klecksen auf den Boden. Noch mehr Blut sickerte aus den Stümpfen seiner Finger. Der Schmerz ließ sein Blickfeld verschwimmen, umwölkte sein Denken. In den Ohren schrillte das sich immerzu wiederholende kurze Kreischen eines Alarmsignals, das im Gleichklang mit dem trüben Aufblitzen der Notleuchten an der Decke anschwoll und abnahm – seltsame Lichter wie winzige Sternenkränze, die tief in die grüne Kunststoffdecke eingegraben waren. Nahe der Decke sammelte sich ein Schleier aus schwarzem Rauch, der die Luft verdunkelte und nach geschmolzenem Plastoid, Gummi und Ozon stank. Er glaubte, den schwachen Geruch von verfaulendem Fleisch zu riechen, konnte sich dessen jedoch nicht sicher sein.
Behutsam legte er seine unverletzte Hand an die rechte Schläfe, fühlte das warme, klebrige Blut, das kleine Loch dort. Das Blut war frisch, die Wunde ebenso.
Die kurzen Lichtblitze ließen seine Bewegungen ruckartig wirken, nicht wie seine eigenen, das abgehackte Stottern einer Marionette in ungeübten Händen. Sein Körper schmerzte. Er fühlte sich, als sei er verprügelt worden. Die Stümpfe der Finger, die er auf dem Eismond verloren hatte, puckerten – irgendwie waren die Wunden wieder aufgeplatzt und sonderten Eiter ab. Sein Schädel fühlte sich an, als habe jemand einen Nagel hindurchgetrieben … und er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.
Er glaubte, Blicke auf sich zu spüren. Er schaute sich in dem dunklen Korridor um, doch seine Augen waren außerstande, sich zu fokussieren. Er sah niemanden. Der Boden unter ihm vibrierte, als würde Energie hindurchströmen, begleitet vom rasselnden Geräusch einer riesigen Lunge. Das Gefühl war beunruhigend. Aus unregelmäßigen, in die Wände gerissenen Löchern baumelten Drähte wie lose Eingeweide. Schwarze Brandmale umrundeten die Löcher. Eine Kontrolltafel, ein dunkler Kasten, hing lose aus einer Blende in der Wand, als wäre sie von einem gewaltigen Spannungsstoß herausgesprengt worden.
Er stellte fest, dass es ihm schwerfiel, sich längere Zeit auf irgendetwas zu konzentrieren, bevor sein Blickfeld schließlich rotierte. Der Rauch ließ seine trüben Augen tränen. Die blitzenden Lichter und das Heulen der Sirene raubten ihm die Orientierung, ließen nicht zu, dass er einen klaren Gedanken fassen konnte. Der Schmerz in seinem Kopf wollte einfach nicht nachlassen. Er wollte schreien, seine Finger ins Gehirn graben und die Pein herausreißen. Er hatte noch nie zuvor etwas Vergleichbares gefühlt.
Was war mit ihm passiert? Er konnte sich nicht daran erinnern. Schlimmer noch, er konnte überhaupt nicht klar denken. Und dann spürte er es: den schwachen Hauch von Energie der Dunklen Seite. Ihr Miasma erfüllte die Luft, schmierig auf seiner Haut, zornig, böse. Er schluckte mit trockener Kehle. War er von einem Sith angegriffen worden?
Mit reiner Willenskraft stieß er die Berührung der Dunklen Seite von seinem innersten Selbst fort, hielt sie eine Armlänge weit von sich. Einen Gegner zu haben, gab ihm einen Fokus. Er wappnete sich gegen den Schmerz in seinem Kopf und stand mit schwachen Beinen auf. Jeder Schlag seines Herzens fühlte sich wie ein Hammerschlag gegen den Schädel an. Tschonk! Tschonk!
Er versuchte, auf den Füßen zu bleiben, aber der Raum schien sich noch schneller zu drehen, der Alarm laut in seinen Ohren, während der Boden unter ihm brummte, dröhnte, rotierte, herumwirbelte. Er wankte, er schwankte. Die Übelkeit trieb Galle in seinen Rachen.
Ohne Vorwarnung nahm der Schmerz in den Schläfen explosionsartig zu, ein weiß glühender Blitz der Agonie, der einen lang anhaltenden Schrei heraufbeschwor. Sein Heulen hallte von den Wänden wider, wurde in die Dunkelheit davongetragen, und als wäre der Schrei eine Tonspur, strömte eine Flut von Erinnerungen und Bildern in sein Bewusstsein, rasche, flüchtige Impressionen von Farben, Gesichtern, eine Reihe halb erinnerter oder halb eingebildeter Dinge. Er war außerstande, sich lange auf eins dieser Bilder zu konzentrieren, außerstande, ihren Fluss zu verlangsamen. Sie loderten in seiner Wahrnehmung auf und erloschen wieder – wie Funken, die für einen Moment aufflammten und dann verschwanden, um lediglich ein schattenhaftes Nachbild zurückzulassen.
Er kniff die Augen zusammen und schloss krampfhaft den Mund, um
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