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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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dauern, und es könnte sein, dass wir uns noch über Schnee freuen. Schon mal einen Eissturm erlebt, Mylord?«
    Der junge Herr schien ihn nicht zu hören. Er betrachtete die herabsinkende Dämmerung, auf diese halb gelangweilte, halb abwesende Art und Weise, die er meist an den Tag legte. Will war lange genug mit dem Ritter unterwegs gewesen, um zu wissen, dass man ihn am besten nicht störte, wenn er so dreinblickte. »Erzähl mir noch einmal, was du gesehen hast, Will. Sämtliche Einzelheiten. Lass nichts aus.«
    Will war Jäger gewesen, bevor er sich der Nachtwache angeschlossen hatte. Nun, eigentlich Wilderer. Reiter hatten ihn in Mallisters Wald auf frischer Tat ertappt, als er gerade einen Hirsch häutete, der dem Mallister gehörte, und ihm war nur die Wahl geblieben, das Schwarz anzulegen oder eine Hand einzubüßen. Niemand konnte so lautlos durch die Wälder streifen wie Will, und die schwarzen Brüder hatten nicht lange gebraucht, um sein Talent zu erkennen.

    »Das Lager liegt zwei Meilen von hier, hinter diesem Kamm, gleich neben einem Bach«, sagte Will. »Ich war so nah dran, wie ich mich traute. Sie sind zu acht, Männer wie Frauen. Kinder konnte ich keine sehen. An den Fels haben sie einen Unterstand gebaut. Mittlerweile ist er ziemlich schneebedeckt, aber ich konnte ihn trotzdem erkennen. Es brannte kein Feuer, aber die Feuerstelle war nicht zu übersehen. Niemand hat sich gerührt. Ich habe sie lange beobachtet. Kein Lebender kann so lange still liegen.«
    »Hast du Blut gesehen?«
    »Nein, das nicht«, räumte Will ein.
    »Hast du Waffen gesehen?«
    »Ein paar Schwerter, ein paar Bögen. Ein Mann hatte eine Axt. Sah schwer aus, mit doppelter Klinge, ein grausiges Stück Eisen. Es lag neben ihm, direkt bei seiner Hand.«
    »Hast du darauf geachtet, wie die Leichen lagen?«
    Will zuckte mit den Achseln. »Einige sitzen an den Stein gelehnt. Die meisten liegen am Boden. Als wären sie gestürzt.«
    »Oder als würden sie schlafen«, vermutete Rois.
    »Als wären sie gestürzt«, beharrte Will. »Eine Frau liegt da im Eisenholz, halb verborgen von den Zweigen. Mit abwesendem Blick.« Er lächelte leise. »Ich habe darauf geachtet, dass sie mich nicht sieht. Als ich näher kam, habe ich gesehen, dass auch sie sich nicht mehr rührt.« Unwillkürlich lief ihm ein Schauer über den Rücken.
    »Ist dir kalt?«, fragte Rois.
    »Ein wenig«, murmelte Will. »Der Wind, Mylord.«
    Der junge Ritter wandte sich zu seinem ergrauten Krieger um. Erfrorene Blätter umflüsterten sie, und Rois’ Streitross wurde unruhig. »Was, glaubst du, hat diese Leute getötet, Gared?«, fragte Ser Weymar beiläufig. Er strich über seinen langen Zobelmantel.
    »Es war die Kälte«, sagte Gared mit eiserner Bestimmtheit. »Ich habe im letzten Winter gesehen, wie Menschen erfrieren, und auch in dem davor, als ich fast noch ein Junge war. Alle reden von vierzig Fuß hohem Schnee und dass der
Wind von Norden her heult, doch der eigentliche Feind ist die Kälte. Sie schleicht sich leise an als Wind, und anfangs zittert man, und die Zähne klappern, und man stampft mit den Füßen und träumt von Glühwein und hübschen, heißen Feuern. Sie brennt, das tut sie. Nichts brennt wie die Kälte. Doch nur eine Weile. Dann kriecht sie in dich hinein und fängt an, dich auszufüllen, und nach einer Weile hast du keine Kraft mehr, dich zu wehren. Es fällt leichter, sich hinzusetzen oder einzuschlafen. Man sagt, man spürt am Ende keine Schmerzen. Erst wird man schwach und müde, und alles lässt nach, und dann ist es, als würde man in einem Meer aus warmer Milch versinken. Friedlich eigentlich.«
    »Diese Beredsamkeit, Gared«, bemerkte Ser Weymar. »Nie hätte ich so etwas bei dir vermutet.«
    »Ich hatte die Kälte selbst schon in mir, junger Herr.« Gared schob seine Kapuze zurück und ließ Ser Weymar einen langen, gewissenhaften Blick auf die Stümpfe werfen, wo einst seine Ohren gesessen hatten. »Zwei Ohren, drei Zehen und der kleine Finger meiner linken Hand. Ich bin noch gut weggekommen. Meinen Bruder haben wir erfroren auf seinem Posten gefunden, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.«
    Ser Weymar zuckte mit den Schultern. »Du solltest dich wärmer anziehen, Gared.«
    Gared warf dem jungen Lord einen bösen Blick zu, und die Narben um seine Ohrlöcher, wo Maester Aemon ihm die Ohren abgeschnitten hatte, wurden rot vor Zorn. »Wir werden sehen, wie warm Ihr Euch kleiden könnt, wenn der Winter kommt.« Er zog seine Kapuze hoch und

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