Das Mädchen-Buch
am Bahnhof gehört sie zu den »Anführerinnen«. Sie sagt an und sie mobbt andere. Wenn sie schlechte Laune hat, kann es schon mal sein, dass sie sich an anderen abreagiert. Wenn sie jemand »falsch« ansieht, schaltet sie um auf Angriff: »Warum guckst du so komisch?« Schulisch hat sie | 15 | eine Zeit lang ziemlich durchgehangen. Jetzt will sie wieder anfangen zu lernen. Ihre Mutter findet sie manchmal nervig. Sie streiten sich häufig. Mit ihrem Vater versteht sie sich gut.
Sabine ist zwölf Jahre alt. Sie hat ein hübsches Gesicht, lange, dunkle Haare und sie ist übergewichtig. Sie wirkt ruhig, aber immer beteiligt. Antworten auf Fragen kommen zögernd, sie braucht lange, um mit jemandem warm zu werden. Kontakte zu anderen Mädchen hat sie keine. Auf dem Schulhof steht sie meistens allein. Ihre Mutter spannt sie häufig zur Beaufsichtigung der zweijährigen Schwester ein. Die Eltern sind getrennt, der Vater holt oft nur den jüngeren Bruder ab, sie nicht. Ihr Hobby ist Zeichnen. Für ihre Manga-Bilder erfährt sie viel Lob und die Bewunderung von anderen.
Alles besondere Mädchen, mit einer ganz individuellen Biografie. Was sie gemeinsam haben, sind ihre Ängste, Wünsche und Hoffnungen. Für alle sind dieselben Fragen wichtig: Bin ich normal? Bin ich schön? Kann ich bestehen in der Schule, in der Clique und später im Beruf? Werde ich gesehen und geliebt? Bin ich gut, so, wie ich bin? Wie kann ich meinen Platz in der Welt finden?
Antworten auf diese Fragen zu bekommen ist für die Mädchen heute nicht einfacher geworden: »Mit 17 hat man noch Träume«, lautete 1965 ein Schlager, den die damals 16-jährige Amerikanerin Peggy March gesungen hat. »… da wachsen noch alle Bäume in den Himmel hinein.« Heute würde es wahrscheinlich heißen: »Mit 14 hat man noch Träume.« 17-jährige Mädchen gelten als Fast-Erwachsene, die die Liebe kennen und zum Teil große Enttäuschungen hinter sich haben. Manche 17-Jährige wirken schon erschreckend abgeklärt. Sie wirken so – in manchen Bereichen sind sie es auch, in anderen nicht.
Vieles ist heute früher als früher, aber nicht alles. Das bedeutet für uns Erwachsene, dass wir genauer hingucken müssen: Wie ist meine Tochter? Wo steht sie? Was braucht dieses | 16 | Mädchen auf ihrem Weg ins Erwachsenensein? Und: Wie können wir sie dabei gut begleiten? Mädchen haben es nicht leichter oder schwerer als Jungen, nur ihre Situation ist teilweise eine andere. Es gibt andere Probleme, andere Lösungen. Sie sind anders . Ich denke nicht, dass es erstrebenswert ist, dass sie wie Jungs werden oder sogar »besser« als sie. Wenn ich selbst manchmal einen Vergleich zu Jungen heranziehe, dann, um die Unterschiede sichtbar zu machen.Wichtigstes Ziel aber, zu dem ich Eltern ermutigen möchte, ist, die Mädchen darin zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden, ganz individuell.
Dieses Buch gibt Anregungen und bietet neue Blickwinkel, aus denen Eltern auf den Umgang mit ihren Töchtern sehen können. Es enthält keine »Rezepte«, weil es keine gibt, die für Familien und alle Mädchen gelten. Aber es bietet Ideen zur Reflexion. Unter der Überschrift »Coach« wird immer wieder der Blick nach innen gelenkt um zu fragen: »Wie ist meine Haltung?« und »Wie ist sie zustande gekommen?« Wenn uns der Einfluss unserer eigenen »Geschichte« klar ist, können wir unsere Töchter freier und für sie passender begleiten.
Wie die Mädchen untereinander, so unterscheiden sich auch die Familien. Aber es gibt eben auch Gemeinsamkeiten, Parallelen, Dinge, die sich ähneln. Ich freue mich sehr, dass mir viele Mädchen und Jungen, Eltern und Experten ihre Sicht auf die Mädchen heute geschildert haben, was mir geholfen hat, meinen eigenen Horizont zu erweitern
Darüber hinaus hat sich Steffi Jones, ehemalige Fußballnationalspielerin und heutige DFB-Direktorin, erinnert, was ihr geholfen hat, ihren Weg zu gehen. BAP-Sänger Wolfgang Niedecken hat seine Sicht auf seine Rolle als Vater zweier Töchter und zweier Söhne erzählt. Tolle, bereichernde und ganz individuelle Blicke auf die Mädchen und Einblicke in ihre Welt.
Viel Spaß beim Lesen, Sichärgern und Lachen und Nachdenken über sich selbst und ihre Töchter! | 17 | | 18 |
Kap02
Drei Irrtümer über Mädchen
V erallgemeinerungen und Klischees helfen dabei, die Welt ein bisschen zu ordnen. So weiß man, wo man dran ist. Manchmal ergeben sie sich aus eigenen Erfahrungen, aber oft auch aus Medienberichten und
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