Das Mädchen und die Herzogin
und versuchte, zu Sabinas Entsetzen, im Februar 1525 mit Hilfe der Aufständischen das Land zurückzuerobern – diesmal noch vergebens. Seine Truppen waren zu schwach, und er musste abermals außer Landes fliehen. Drei Monate später dann war auch die Revolte der Bauern im Land blutig niedergeschlagen.
Ein Trost in jenen Uracher Jahren, die für Sabina eine lange Zeit der Unsicherheit und Hilflosigkeit gewesen sein mussten,waren ihr sicherlich die Kinder. Ihr Verhältnis zu Anna galt als sehr liebevoll, und mit dem heranwachsenden Christoph stand sie in engem Briefkontakt. In zeitgenössischen Quellen liest man immer wieder von der ungewöhnlichen Begabung, Bildung und Klugheit des Jungen, seinem umgänglichen, heiteren Wesen – für die Zweifler ein weiterer Beweis dafür, dass er nicht der leibliche Sohn Ulrichs sein konnte. Seine Beliebtheit wuchs noch, als er später dann an allen bedeutenden Höfen Europas unterwegs war, umschwärmt von Frauen wegen seines Charmes.
Der nächste Schicksalsschlag traf Sabina im Juni 1530, als Anna mit nur siebzehn Jahren an der Pest starb. Zeitgenossen munkelten, ihr sei in einem Rebhuhn Gift gereicht worden. Im selben Jahr kam es zum ersten Wiedersehen mit Christoph: Auf seinem Weg an den kaiserlichen Hof in Brüssel durfte er, inzwischen zum kaiserlichen Edelknaben aufgestiegen, seine Mutter in Urach besuchen. Als aber Erzherzog Ferdinand sehen musste, mit welchem Jubel Christoph vom Volk empfangen wurde, ließ er den Aufenthalt umgehend abbrechen.
Zwei Jahre später dann, bei ihrem zweiten Wiedersehen in Urach – wieder konnte man das tobende Volk nur mit Mühe von Christoph fernhalten –, musste Sabina erfahren, dass Kaiser Karl beabsichtigte, ihren Sohn ins ferne Spanien zu bringen, um ihn dort in ein Kloster zu stecken. Da floh der Siebzehnjährige während der Alpenüberquerung aus dem kaiserlichen Tross, zu Fuß, nur in Begleitung seines Magisters, und hielt sich monatelang in Bayern und in der Schweiz versteckt. Nicht einmal Sabina wusste, wo.
Als Christoph wiederauftauchte, durfte sie neue Hoffnung schöpfen: Der Thronfolger trat erstmals an die Öffentlichkeit. Achtzehn Jahre alt, selbstsicher und weltgewandt, forderter vom Hause Habsburg die Rückgabe seines ihm gegen jedes Recht entrissenen Erbes. Dabei erhielt er Unterstützung von zahlreichen Höfen Europas. Dann aber geschah das Unerwartete: Im Mai 1534 gelang Ulrich die Rückeroberung Wirtembergs, mit französischem Geld und protestantischen Bündnispartnern. Die Habsburger Regierung, ohne Rückhalt in der Bevölkerung, brach zusammen, und die Wirtemberger huldigten unter Freudengeschrei wieder ihrem alten, neuen Herzog. Die frühere Gewaltherrschaft schien vergeben und vergessen.
Während also Ulrich als geläuterter Regent auftrat, den Bürgern ihre alten Freiheiten garantierte und zur Freude der Untertanen die «Neue Lehre» der Reformation einführte, musste Sabina erneut fliehen. Zusammen mit Dietrich, dessen Güter Ulrich beschlagnahmt hatte, suchte sie zunächst Zuflucht im Kloster Weingarten. Dort trennten sich ihre Wege, da Dietrich nach Wien berufen war. Für Sabina begann abermals eine ruhelose, ungewisse Zeit, die sie zunächst unter einfachsten Verhältnissen in Bregenz verbrachte. Ihre Brüder, die Bayernherzöge, wollten sie zum Erbverzicht zwingen und zum endgültigen Bruch mit Dietrich, und von Christoph musste sie erfahren, dass er bei der ersten Begegnung mit seinem Vater grob zurückgewiesen worden war: Noch immer zweifelte Ulrich seine Vaterschaft an, er wollte Christoph sogar zugunsten seines Halbbruders Georg von der Erbfolge ausschließen. Als Christoph daraufhin mehr oder weniger freiwillig seinem Land den Rücken kehrte und an den Pariser Hof zog – acht Jahre sollten es werden! –, traf Sabina ein letzter großer Schicksalsschlag: Dietrich, zum Frankreichfeldzug einberufen, wurde während der Schlacht bei Marseille tödlich verwundet.
Die Herzogin verließ darauf ihr Exil am Bodensee undkehrte heim nach München. Der Empfang in der Heimatstadt war mehr als kühl. Allzu deutlich machte man ihr, dass sie eine Last sei, hielt sie so knapp, dass sie ihre letzten Kleinodien versetzen und einen Schuldzettel nach dem andern ausschreiben musste. Dazu kamen die ewigen Streitereien wegen Erbangelegenheiten. Immer häufiger flüchtete sie sich nach Landshut, zu ihrem Bruder Ludwig, dem sie «Doctor, Arznei und Koch» wurde. Zu dieser Zeit begann sie auch, sich mit Astrologie,
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