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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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zusammen.
    «Da hat er recht getan. Alle Menschen im Land sollten lesen und schreiben können. Auch die Frauen und Mädchen.»
    «Pfarrer Muthlein war ein ganz besonderer Mensch.» Marie schluckte. Dann fügte sie mit dünner Stimme hinzu. «Er hat mir von diesem Martin Luther erzählt.»
    «Dann weißt du auch, dass Luther der Ketzerei verdächtigt wird? Dass die Römische Kurie einen Prozess gegen ihn führt?»
    «Nein», stotterte Marie, verunsichert von Sabinas strengem Tonfall.
    «Sprich mit niemandem darüber, was ich hier lese, hörst du? Hast du verstanden?»
    Marie nickte. Dann brachen die Tränen hervor, die sie so mühsam zurückgehalten hatte.
    «Verzeih, Marie.» Die Herzogin strich ihr über die Wange. «Ich wollte nicht grob werden.»
    «Es ist nicht deswegen. Es ist nur – Pfarrer Muthlein ist tot. Erschlagen von Ulrichs Leuten, als sie mich gefangengenommen hatten. Muthlein wollte mich schützen.»
    «Gütiger Herr im Himmel! Und du bist sicher, dass er tot ist?»
    «Ich weiß es nicht. Er hat sich nicht mehr gerührt, und sie haben ihn einfach liegenlassen, als sie mit mir fort sind. Sein größter Wunsch war gewesen, nach Wittenberg zu gehen, zum Doctor Luther. Und auf dem Weg dorthin musste er sterben.»
    «Das ist doch noch nicht gesagt. Weißt du was? Ich stehein Verbindung mit dem jungen Melanchthon, einem Freund Luthers. Ihn werde ich fragen, ob er etwas über deinen Pfarrer weiß.»
    «Das würdet Ihr tun?»
    «Ja», entgegnete Sabina leise. «Das ist noch das Geringste, was ich für dich tun kann.»
     
    Mitte Oktober erfuhr Marie, dass ein Mann namens Casimir Muthlein eine Stelle als Dorfpfarrer nahe Wittenberg innehatte. So erleichtert und glücklich war sie, dass sie der Herzogin um den Hals fiel und nicht aufhören konnte, vor Freude zu weinen. Kurz darauf traf eine zweite wunderbare Nachricht ein: Das Bundesheer hatte Ulrich in blutigem Gefecht vernichtend geschlagen. Endlich, endlich konnten sie in ihre Heimat zurückkehren.
     
    Das Laub der Bäume leuchtete rotgolden in der Sonne, als sie sich dem Albtrauf bei Urach näherten. Aus der Ferne grüßte bereits die Festung Hohenurach, die für Sabina jeden Schrecken verloren hatte, seitdem ihr unheimlicher Bewohner im April verstorben und in Stuttgart beigesetzt worden war. Auch Graf Heinrichs treue Gemahlin war fort, war zu ihrem Sohn Georg nach Reichenweiher gezogen.
    Wie friedlich alles wirkte. Als hätte es hier niemals Aufruhr und Krieg gegeben. Verstohlen betrachtete Sabina Marie, die neben dem Kutscher auf dem Bock saß, den schlafenden Jungen im Arm. Mit geschlossenen Augen hielt sie ihr Gesicht in die Sonne, um den hübschen Mund spielte ein leises Lächeln. Sabina ahnte, wie schwer der Gedanke, sie sei schuld am Tod des jungen Pfarrers, auf ihr gelastet haben musste. Dabei gab es einen Einzigen nur, der vor dem göttlichen Richterstuhl dereinst dafür würde bezahlen müssen: Ulrich, den sie seitihrer Flucht nie wiedergesehen hatte und hoffentlich auch in Zukunft nie wiedersehen würde.
    Davongejagt war er und auf immer seines Landes verwiesen. Nahe seiner Residenz, im Neckartal bei Untertürkheim, hatten sie ihn in die Schlacht gelockt. In aller Eile hatte Ulrich sein Heer auf zehntausend Mann verstärkt, ohne dass es ihm etwas genützt hätte: Von zwei Seiten war er in die Zange genommen worden, mit schwerem Geschütz und Tausenden von geharnischten Reitern. Eine der Reiterstaffeln hatte Dietrich geführt, wie ein Berserker habe er sich gegen Ulrich in den Kampf gestürzt, er sei am Arm verwundet worden und dennoch nicht gewichen. Am Fuße der alten Stammburg Wirtemberg war es dann zur Entscheidung gekommen: Binnen weniger Stunden hatte Ulrich mit hohen Verlusten aufgeben müssen und galt seither als verschollen.
    Die Glocken von Sankt Amandus läuteten feierlich zur Begrüßung, während der kleine Tross in Urach einzog und die Menschen rechts und links der Gassen ihnen freudig zuwinkten. Sabina lächelte: Sie war heimgekehrt. Ob Wilhelm Wort gehalten hatte? Gleich nach seinem triumphalen Einzug in Stuttgart hatte er ihr die Kinder hierherbringen wollen.
    Als sich das Burgtor knarrend öffnete und Pferde und Wagen einließ, entdeckte Sabina im Schatten der Mauern eine Gestalt mit zwei Kindern an der Hand. Sie stieß einen Freudenschrei aus.
    «Anna! Christoph!»
    Sie glitt vom Pferd, rannte den Kindern entgegen, hockte sich mitten im Burghof nieder und schloss sie in ihre Arme.
    «Wie hab ich euch vermisst», schluchzte

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