Das Magische Labyrinth
neunzehnten Jahrhundert – war ich nicht unbekannt.«
»Helas«, sagte de Bergerac. »Hat man Sie nicht auch wegen Ihrer Langatmigkeit geadelt?«
»Nein«, sagte Burton. »Ebenso wenig wie dafür, daß ich eine lange Nase gehabt hätte.«
De Bergerac lächelte. »Der Hinweis auf meinen Zinken darf natürlich nicht fehlen. Nun, Monsieur, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ich – obwohl ich nicht in solcher Weise von meinem Souverän Louis XIII geehrt wurde – von einer Königin, die noch ein wenig höher steht als die Ihre, nämlich Mutter Natur höchstpersönlich, auserkoren bin, ein Genie zu sein. Ich habe ein paar philosophische Romanzen geschrieben, von denen ich weiß, daß man sie noch Jahrhunderte nach meinem Tod gelesen hat. Und außerdem – wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte – war ich unter den Fechtern meiner Zeit, die die größten Fechter überhaupt hervorbrachte, ebenfalls kein Unbekannter.«
Der dürre Mann lächelte erneut, und Burton sagte: »Wollen Sie sich vielleicht ergeben? Es verlangt mich nicht nach Ihrem Tod, Monsieur.«
»Auch ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie nicht Ihre Waffe niederlegen und mein Gefangener sein wollen, Monsieur«, erwiderte de Bergerac. »Aber sicher würde es für Sie ebenso unbefriedigend sein wie für mich, nicht zu erfahren, wer von uns beiden denn nun der Bessere ist. Seit ich die Spitze meines Rapiers in Ihre Hüfte stieß, habe ich sehr viel über Sie nachgedacht, Hauptmann Burton. Unter all den Hunderten oder Tausenden, mit denen ich mich duellierte, waren Sie der Beste. Ich muß sogar zugeben, daß ich keine Ahnung habe, wie lange unsere kleine Fechtpartie noch angedauert hätte, hätten Sie keine Verletzung davongetragen. Möglicherweise hätten Sie mich noch eine geraume Weile aufgehalten, wenn nicht sogar noch Schlimmeres.«
»Wir können uns darüber Klarheit verschaffen«, meinte Burton.
»Das können wir in der Tat, wenn das Schiff nicht zu schnell sinkt. Nun, Monsieur, ich habe deswegen Abstand davon genommen, dieses Schiff auf der Stelle zu verlassen, weil ich plante, noch ein Glas auf die Seelen der tapferen Männer und Frauen zu leeren, die heute im Kampf um dieses einmalige Gefährt, den letzten Triumph menschlicher Wissenschaft und Technologie, ihr Leben gelassen haben. Quel dommage! Aber eines Tages werde ich ihnen zu Ehren eine Ode schreiben. Natürlich auf französisch, denn Esperanto ist nun einmal keine poetische Sprache. Selbst wenn sie es wäre, könnte sie meiner eigenen nie auch nur nahe kommen.
Lassen Sie uns deshalb anstoßen auf die, die wir liebten und nun von uns gegangen sind. Wiedererweckungen wird es nicht mehr geben, mein Freund. Die, die gestorben sind, werden für immer bei den Toten bleiben.«
»Vielleicht«, sagte Burton. »Auf jeden Fall bin ich dazu bereit.«
Vor dem Beginn der Kämpfe hatte man die hinter der Bar befindlichen Vitrinen abgeschlossen. Da sich der Schlüssel in einem bestimmten Schubfach befand, trat de Bergerac hinter den Tresen und nahm ihn an sich. Er öffnete eine Vitrine, durchforschte die Flaschenreihen und nahm schließlich eine Flasche an sich.
»Sie stammt aus Parolando«, sagte er, »und hat die ganze Reise unangetastet überstanden, trotz aller Kämpfe und Mißhandlungen durch zahllose Trunkenbolde. Sie enthält einen besonders guten Burgunder, der portionsweise in verschiedenen Grälen auftauchte. Statt ihn zu trinken, hat man ihn in diese Flasche geschüttet, um für spezielle Festlichkeiten einen guten Tropfen zur Hand zu haben. Diese Gelegenheit, glaube ich, hat sicherlich einen festlichen Charakter, auch wenn sie keinen Grund zum Feiern darstellt.«
Er öffnete eine andere Vitrine, schob den Glashalter beiseite und nahm zwei Kelche an sich, die er vor Burton auf die Theke stellte.
De Bergeracs Degen lag auf der Theke. Burton tat es ihm gleich, achtete jedoch darauf, daß er den seinen schnell erreichen konnte. Der Franzose füllte die Kelche und nahm seinen in die Hand. Auch Burton griff zu.
»Auf die, die von uns gegangen sind!« sagte de Bergerac.
»Auf sie«, sagte Burton. Beide nahmen einen kleinen Schluck.
»Ich gehöre nicht zu denen, die viel trinken«, sagte de Bergerac. »Der Schnaps macht einen zum Tier, und ich möchte nicht gern vergessen, daß ich ein menschliches Wesen bin. Aber… dies ist tatsächlich ein besonderer Fall. Sagen Sie noch einen Trinkspruch, mein Freund, bevor wir beginnen.«
»Auf die Lösung des Rätsels dieser Welt«, sagte
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