Das magische Schwert
plötzlichem Misstrauen blickte Petra Dee an. »Ihr habt gesagt, ich könnte gehen! Und was ist mit den Informationen, die Ihr mir versprochen habt?«
»Du kannst Madinia immer noch bitten, dir einen Spalt in den Wald von Okno zu öffnen. Doch ich denke, dass du, wenn du meine neusten Nachrichten gehört hast, einen anderen Weg einschlagen wirst. Ich hoffe, du bleibst hier« - er übertönte ihre Protestgeräusche -, »doch wenn nicht, solltest du mit deinen Freunden zusammen sein. Ich wollte dir diese Chance geben, bevor das Schiff Segel setzt.«
Nervös blickte Petra zu der etliche Meter entfernten Anlegestelle. Treb lag rauchend im Beiboot. Andras belud das Boot. Tomik und Neel standen auf der Anlegestelle und redeten miteinander.
Der Maiwind war stark und warm, aber Petra fröstelte. Die Furcht saß ihr wie ein Eisklumpen im Magen. Noch vor einem Moment hatte sie verlangt, dass Dee ihr erzählte, was er über ihren Vater wusste. Doch jetzt wusste sie nicht mehr, ob sie es wirklich wissen wollte. Aber der Prinz hat doch gesagt, Vater ginge es gut , dachte sie, dass es ihm besser ginge als je zuvor.
Die Sonne schien auf Agathas weißes Haar. »Ich wünschte, ich könnte dir beibringen, Petra, wie du ab diesem Tag glücklich leben könntest«, sagte sie, »aber das ist etwas, was du selbst lernen musst.«
Petra suchte im Gesicht der Frau nach einem Hinweis darauf, was sie damit meinte. Doch Agathas Gesicht war so ausdruckslos wie immer.
»Hier.« Madinia hielt ihr einen länglichen Gegenstand hin. »Das ist mein Fächer mit dem Elfenbeingriff. Ich liebe ihn,
aber ich möchte ihn dir geben, damit du alle damit neidisch machen kannst!«
Petra nahm den Fächer an, obwohl sie nicht wusste, was sie damit anfangen sollte.
Margaret gab ihr ein dickes Stoffbündel. »Das ist das Seidenkleid, das du auf dem Ball getragen hast.Vielleicht … vielleicht denkst du, das ist ein armseliges Geschenk, weil ich das Kleid sowieso nicht mehr tragen kann. Aber ich hoffe, es lässt dich an uns denken.«
Petra dankte ihr für das Kleid, obwohl sie auch da nicht wusste, was sie damit anfangen sollte.
»Die silbernen Haarspangen sind auch in dem Bündel«, sagte Madinia, »falls Astrophil wieder so tun will, als wäre er auch eine.« Sie spähte in Petras Haare. »Hallo? Astrophil? Bist du da?«
»Ja, Madinia«, erwiderte die Spinne müde.
Petra umarmte die Schwestern.
»Aber vielleicht ist das ja kein Abschied.« Margaret lächelte. »Wir warten auf dich in der Throgmorton Street.«
Damit gingen die Schwestern und ihre Mutter die Straße zurück, verschwanden zwischen Obstständen und klappernden Pferden.
Nur John Dee blieb zurück.
Petras Herz schlug schnell. Solange Madinia und Margaret dabei gewesen waren, war es einfach gewesen zu vergessen, wenn auch nur für einen kurzen Moment, dass Dee ihr Informationen zu geben hatte, und dass sie die gar nicht mehr wollte, weil sie plötzlich sicher wusste, dass es schlechte Nachrichten waren.
Dee machte ein Gesicht wie ein Arzt, der bereit war, einen Knochen zu richten oder ein Glied zu amputieren.
»Petra«, sagte er behutsam, »meine Quellen haben berichtet, dass der Prinz deinem Vater, gleich nachdem er in die Salamanderburg gebracht worden war, befohlen hatte, das Herz der Uhr neu zu bauen. Doch sobald der Prinz von den Mercatorgloben erfuhr, wurde er besessen davon, sie zu finden, und entschied, deinen Vater nicht länger zu brauchen. Mikal Kronos wurde Fiala Broshek zum Experimentieren überlassen. Er ist in einen Gristleki umgewandelt worden.«
»Das ist eine Lüge!« Doch der Zweifel zerrte an Petra, und hinter dem Zweifel zeichnete sich die Verzweiflung ab, bitter und erschreckend.
»Es ist wahr. Leider.«
Besser denn je , hatte der Prinz gesagt. Klar. Der Prinz dachte natürlich, in ein Monster verwandelt zu sein, wäre besser, weil er selbst eines war. Und Ariel, Ariel musste es gewusst haben. Vor Petras Augen hatte sie sich in einen Grauen Mann verwandelt. War sie bereit gewesen, Petra von ihrem Vater zu erzählen? Ich biete ein Wort-Geschenk, ein leises Flüssstern von weit gehört , hatte sie gesagt, ein Geheimnissss.
Die Verzweiflung packte Petra an der Kehle. Sie fing an zu weinen.
»Verstehst du jetzt, warum ich das so lange wie möglich von dir fernhalten wollte?«, fragte Dee. »Ich habe mein Leben damit verbracht, so viel wie möglich zu wissen. Aber das Allerwichtigste, was ich entdeckt habe, ist, dass eine bestimmte Art von Wissen schmerzhaft sein
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