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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Nichtlein? Wenn wir das nur früher gewusst hätten!«
    Ich lachte höflich mit ihr und gab mir Mühe, nicht auf den entblößten alten Körper zu sehen.
    Â»Seien Sie ganz locker und natürlich«, empfahl mir die Schwester beim Abschied, »so kommen Sie beide mit der Situation am besten zurecht.«
    Am ersten Morgen, an dem ich allein mit der Tante ins Bad sollte, schwitzte ich vor Aufregung und musste mir erst die Handflächen trocknen, bevor ich die Arme vorsichtig unter ihre Achseln schob, wie die Schwester es mir gezeigt hatte. Ich hatte Angst, Ruth weh zu tun, sie fallen zu lassen und sie in ihrer Nacktheit zu beschämen, wenn mit dem Fehlen der Pflegerin keine »offizielle Seite« mehr vorhanden war, die uns durch professionelle Sachlichkeit schützen konnte. Am meisten Angst aber hatte ich davor, dass ich mich vor ihr ekeln könnte und sie dies merken würde.
    Es war aber dann völlig anders, als ich es mir die halbe Nacht lang vorzustellen versucht hatte. Ruth sagte: »Dann mal los!« und tat so, als hinge sie zum hundertsten Mal in meinen Armen.
    Auf dem Weg zum Badezimmer stöhnte die Tante kurz auf.
    Â»Geht’s?«
    Â»Ja. Kannst du die Hände bitte etwas lockern?«

    Â»Drücke ich zu doll?«
    Â»Nein, liegt an mir.«
    Â»Wie das?«
    Â»Wenn ich so weitermache, bestehe ich den Erbsentest und darf den Königssohn heiraten!«
    Â»Das kannst du knicken!«
    Sie spreizte den kleinen Finger ab: »Hach, wie empfindlich ich doch bin!«
    Auf dem weiteren Weg zum Bad entstand kein weiterer Schaden, als dass ich wegen Hans Christian Andersen eine Wette verlor, weil das Märchen mit der empfindsamen Prinzessin von ihm und nicht von den Brüdern stammte.
    Â»Du und Prinzessin?«
    Â»Im nächsten Leben garantiert!«
    Vor der Duschkabine brauchte die Tante eine Pause. Sie ließ sich aus meinen Armen auf den Badeschemel gleiten, den die Schwester mitgebracht hatte, eine Art dreiviertel Klobrille mit fahrbarem Untersatz. Dann knöpfte sie sich ihr Pyjamaoberteil auf und sagte: »Zieh mal an den Ärmeln!«
    Ich zog, und da saß sie dann vor mir, klein, nackt und mager wie ein Vogeljunges, das man zu früh aus dem Nest geworfen hat. Um sie in die Dusche schieben zu können, musste ich ihren Rücken anfassen: kühl und erstaunlich glatt, unter den Schulterblättern etwas faltige Weichheit, die nachgab, wenn man den Fingern Halt zu geben suchte. Eine angewelkte Orchidee mochte sich so anfühlen. Es war nicht schwierig.
    In der Kabine hatte ich die Handhabung des Rollhockers noch nicht so drauf, ließ ihr Knie gegen die Seitenwand knallen, was auch einem Menschen, dessen Knochen in gutem Zustand waren, weh getan hätte. Aber Ruth meinte, alles sei bestens und dass sie Haare waschen wolle. Als ich ihr die
Shampooflasche reichte, gab der Hocker nach, ich glitt auf den Fliesen aus und konnte es nur knapp vermeiden, dass ich auf die Tante krachte, indem ich mich an der Duschstange festkrallte. Ich blieb schräg über ihr an die Armatur geklammert hängen, über meine Nase rann Wasser auf ihr Gesicht. Eine Schrecksekunde lang sahen wir uns in die Augen, dann prusteten wir beide gleichzeitig los.
    Â»Was soll’s«, sagte ich und streifte die klatschnassen Klamotten ab.
    Ruth schaute mit erhobenen Brauen an mir herauf, dann wieder herunter und sagte: »Ich dachte, ihr jungen Frauen rasiert euch heutzutage überall.«
    Â»Hätte ich gewusst, dass ich einen Nacktauftritt habe, wären meine Vorbereitungen gründlicher gewesen.«
    Sie lachte wieder, dann wurde sie ernst:
    Â»Hättest du gedacht, dass du mir eines Tages noch einmal den Hintern würdest abtrocknen müssen?«
    Â»Nee. Du?«
    Â»Was hättest du getan, wenn es dir jemand vorhergesagt hätte?«
    Â»Die Flucht ergriffen, was denkst du denn?«
    Sie versuchte, mir eine Kopfnuss zu geben, kriegte aber den Arm nicht hoch genug.
    Â»Verdammt, nicht mal verkloppen kann ich dich mehr!«
    Â»Etwas Gutes muss der Scheiß doch haben.«
    Â»Ha ha!«
    Am zweiten Morgen zog ich erst sie und dann gleich mich aus; wir wurden ein eingespieltes Duschteam.
    Â 
    Elisabeth sagte: »Ruth hat auch dunkle Momente, sie wird genauso von Bitterkeit und Verzweiflung überfallen wie jeder
andere Mensch in solch einer Situation. Auch sie hat Angst, aber die zeigt sie dir nicht.«
    Â»Zeigt sie dir sie

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